Zirndorf : „Nicht mehr menschenwürdig”: Zirndorfer Flüchtlingscamp überfüllt
Zirndorf Notdürftig sind Bettlaken als Sichtschutz um die Doppelbetten gewickelt. Die Flüchtlinge versuchen verzweifelt, sich so wenigstens eine klitzekleine Privatsphäre zu erhalten. Doch das ist schwierig in dem umfunktionierten Partyzelt auf dem Gelände der Zirndorfer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. 200 Menschen sind in dem Zelt untergebracht.
Als „absoluten Notfall” bezeichnet dies der Sprecher der Regierung von Mittelfranken, Michael Münchow. „Das ist keine menschenwürdige Aufnahme mehr.” Sage und schreibe 1600 Menschen sind gerade auf dem Gelände der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE), die eigentlich für nur 650 Menschen ausgelegt ist. Neben den Häusern und dem großen Wohncontainer werden schon seit Monaten zwei Busgaragen und die Kapelle als Unterkunft für die Flüchtlinge genutzt. Seit einigen Tagen müssen auch der Speisesaal und die Cafeteria als Schlafplatz herhalten.
„Es ist jeder Platz belegt, den wir mit Überdachung zur Verfügung haben”, sagt Münchow. Doch auch das reicht nicht: „Allein heute hatten wir 260 Neuzugänge.” Daher hat die Regionalregierung das große Partyzelt mit 200 Betten und fünf kleine Mannschaftszelte mit insgesamt 60 Plätzen aufgestellt. „Angenehm ist der Aufenthalt darin nicht.” Es gehe jedoch zurzeit allein darum, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Derzeit, Ende August, ist die Lage in Zirndorf noch verhältnismäßig angenehm. Die Sonne scheint, es hat mehr als 20 Grad. Die Asylbewerber können sich im Freien aufhalten, die Kinder auf dem kleinen Spielplatz. Überall auf dem Gelände sitzen und stehen Menschen. Kaum vorstellbar, wie es ist, wenn es regnet. „Bei schlechtem Wetter sieht das deutlich schlechter aus”, sagt Münchow. Die Menschen können hier nicht viel anderes tun als Warten. „Das schlägt natürlich auf die Stimmung.” Die extreme Überbelegung ist seit Monaten der Normalzustand.
Ein 25-jähriger Mann aus dem Senegal steht am Eingang der Einrichtung und unterhält sich mit anderen Flüchtlingen. Auch er schläft in dem Partyzelt mit „Mischbelegung, die in irgendeiner Form funktioniert oder auch nicht”, wie Münchow sagt. „Ich fühle mich dort nicht gut”, sagt der junge Afrikaner. „Es ist sehr schwer.” Das Bett sei für ihn viel zu kurz, und der Schlaf sei wegen des vielen Lärms oft unruhig.
Seit vier Tagen ist der 25-Jährige in Zirndorf. In seinem Heimatland hat er Germanistik und Romanistik studiert, daher spricht er gut Deutsch. Über ein Austauschprogramm durfte er vier Wochen lang in Fulda sein. Danach wollte er nicht in den Senegal zurück - obwohl dort noch seine Eltern, ein Bruder und eine Schwester leben.
Das Diakonische Werk nennt die Zustände in Zirndorf katastrophal. Besonders Kranke, Behinderte und Familien mit Kindern litten unter der Situation. 80 Duschen gibt es in der ZAE und 70 Toiletten - für 1600 Menschen. Auf dem Hof sind zurzeit einige wenige zusätzliche mobile Toilettenzellen aufgestellt.
Münchow sagt, oberste Priorität sei, die Einrichtung wieder auf ein halbwegs normales Maß an Menschen zu bringen. Die Regierung sei mit einigen Grundstückseigentümern in Nürnberg in Verhandlungen, um die Menschen zumindest in solchen festen Gebäuden unterbringen zu können. Schon für nächste Woche erhofft Münchow sich Verbesserungen.
Trotz des vom Bundesamt für Migration diese Woche verhängten Aufnahmestopps für Asylbewerber in Bayern muss sich die ZAE weiter um Flüchtlinge aus 40 Ländern kümmern. Jeden Tag kommen 100 oder mehr Menschen neu hier an - aus der Ukraine, aus Syrien, Weißrussland oder Kasachstan. „Alle, für die wir nicht originär zuständig sind, werden so schnell es geht weitergeschleust”, sagt Münchow. „Aber auch die brauchen erstmal ein Bett und Essen.”