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Wittenberg/Rom: Kirchen wollen nach Reformationsjahr weiter an Annäherung arbeiten

Wittenberg/Rom : Kirchen wollen nach Reformationsjahr weiter an Annäherung arbeiten

500 Jahre nach dem Beginn der Reformation haben Protestanten und Katholiken ihren Willen zu einer umfassenderen Annäherung unterstrichen. Papst Franziskus und die evangelisch-lutherische Kirche kündigten am Dienstag an, auch nach Ende des Reformationsjahres das ökumenische Ziel eines gemeinsamen Abendmahles weiterzuverfolgen.

<p> „Für die Zukunft verpflichten wir uns, [...] unseren gemeinsamen Weg zur größeren Einheit fortzusetzen”, erklärten der von Rom eingesetzte Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen sowie der Lutherische Weltbund in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Die Stadkirche spiegelt sich in der Lutherstadt Wittenberg auf dem Marktplatz in einem Globus, der zum Reformationsjubiläum dort aufgestellt wurde.
Die Stadkirche spiegelt sich in der Lutherstadt Wittenberg auf dem Marktplatz in einem Globus, der zum Reformationsjubiläum dort aufgestellt wurde. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Beim zentralen Festgottesdienst der deutschen Protestanten in der Wittenberger Schlosskirche übergaben der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gemeinsam ein Kreuz an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sie werteten dies als „Versprechen der Christen”, für Friede, Versöhnung und Gerechtigkeit einzutreten, sagte Marx.

 Eine Fahne des evangelischen Arbeiter-Vereins von 1902 mit dem Abbild von Martin Luther und dem Schriftzug "Ein feste Burg ist unser Gott!" aus Luthers Kirchenlied, weist auf eine Ausstellung über den Reformator Martin Luther im Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim hin.
Eine Fahne des evangelischen Arbeiter-Vereins von 1902 mit dem Abbild von Martin Luther und dem Schriftzug "Ein feste Burg ist unser Gott!" aus Luthers Kirchenlied, weist auf eine Ausstellung über den Reformator Martin Luther im Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim hin. Foto: Holger Hollemann/dpa

Zuvor hatte Bedford-Strohm den Katholiken symbolisch die Hand ausgestreckt. Vor den Augen von Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte er sich in seiner Rede direkt an Papst Franziskus: „Wann immer du einmal hierher nach Wittenberg kommst, dann werden wir dich ein halbes Jahrtausend nach der Verbrennung der Bannbulle von ganzem Herzen willkommen heißen!” Man müsse „mit Christus reden und dann mutig voranschreiten”.

 Jochen Cornelius-Bundschuh (l.), Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, und Frank Otfried July (r.), Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, sprechen bei einem Gottesdienst zum Reformationsjubiläum der evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg in der Christuskirche in Mannheim.
Jochen Cornelius-Bundschuh (l.), Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, und Frank Otfried July (r.), Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, sprechen bei einem Gottesdienst zum Reformationsjubiläum der evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg in der Christuskirche in Mannheim. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Martin Luther hatte der Überlieferung nach vor 500 Jahren seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen - deshalb war der Reformationstag einmalig bundesweit ein Feiertag. Der Thesenanschlag gilt als Beginn der weltweiten Reformation und Spaltung der Kirche - im Ergebnis entstand die evangelische Kirche.

 Zum Jahrestag der Reformation haben insgesamt 606 Menschen in Mannheim die Bibel mit der Hand abgeschrieben. Entstanden sind fünf Bände mit insgesamt 3626 Seiten.
Zum Jahrestag der Reformation haben insgesamt 606 Menschen in Mannheim die Bibel mit der Hand abgeschrieben. Entstanden sind fünf Bände mit insgesamt 3626 Seiten. Foto: Uwe Anspach/dpa

Bedford-Strohm bezeichnete Luthers Thesenanschlag als einen „Akt der Befreiung” - für Luther persönlich, für die Kirche und für die Welt. Heldenverehrung sei allerdings falsch. Vor allem Luthers Haltung zum Judentum sorgt bis heute für heftige Diskussionen in Kirche und Gesellschaft. „Reformation 2017 - das heißt auch, den alten unseligen christlichen Antijudaismus hinter uns zu lassen, der den tödlichen antisemitischen Rassenlehren Nahrung gegeben und so viel Leid angerichtet hat”, sagte Bedford-Strohm in einem Gottesdienst in der Nürnberger Lorenzkirche am Vormittag.

Franziskus und der frühere Präsident des Lutherische Weltbundes, Munib A. Younan erklärten in der gemeinsamen Stellungnahme, viele Christen sehnten sich danach, „die Eucharistie an einem Tisch zu empfangen als konkreten Ausdruck der vollen Einheit”. Im Lutherischen Weltbund haben sich 145 Kirchen aus 98 Ländern zusammengeschlossen. Beide Seiten stellten mit Blick auf das Reformationsjahr fest: „Es ist aufs Neue deutlich geworden, dass das, was uns eint, sehr viel mehr ist als das, was uns noch trennt.”

Kanzlerin Merkel schlug bei einem Festakt in Wittenberg den Bogen in die Gegenwart und unterstrich die Bedeutung der Meinungsvielfalt. Toleranz sei „die Seele Europas” und „das Grundprinzip jeder offenen Gesellschaft”. Auch mit Blick auf die zahlreichen innereuropäischen Konflikte, die Luthers Thesenanschlag einst mit sich brachte, sagte sie: „Wer die Vielfalt bejaht, muss Toleranz üben - das ist die historische Erfahrung unseres Kontinents. Mühevoll wurde gelernt, dass die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben in Europa die Toleranz ist.”

Buntes Programm in Wittenberg

In der historischen Innenstadt von Wittenberg erwartet die Besucher am Dienstag mittelalterliches Flair wie zu Luthers Zeiten. Dazu gehören Musik, Darbietungen von Komödianten und Kulinarisches. Am Abend werden der Marktplatz und die Schlosskirche zum Ort der modernen Kunst. Der Lichtkünstler Ingo Bracke setzt unter dem Motto „luthERleuchtet” den Reformator und sein Lebenswerk in Licht, Klang und Bewegung in Szene, wie die Stadt mitteilte.

Nach Einschätzung des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm hat das Reformationsjahr dafür gesorgt, dass sich die Deutschen wieder mehr mit Religion auseinandergesetzt haben. „Die Reformation hat die Deutschen neugierig gemacht”, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Was dieses Jubiläumsjahr wirklich so besonders macht, ist, dass wir auch mit den Menschen, die nicht der Kirche angehören, wieder stärker ins Gespräch über Gott gekommen sind.”

An die Tür der Wittenberger Schlosskirche - sie zählt heute wie alle Lutherstätten in Sachsen-Anhalt zum Unesco-Welterbe - hatte Luther am 31. Oktober 1517 der Überlieferung nach seine 95 Thesen geschlagen. Er protestierte damit gegen die damalige Praxis des Ablasshandels der Kirche, sich von Sünden freikaufen zu können. Der Thesenanschlag gilt als Beginn der weltweiten Reformation. Kritiker sprechen von einer Spaltung der Kirche. Im Ergebnis der Bewegung entstand die evangelische Kirche.

Anliegen des Reformationsjubiläums war es nach Angaben der Organisatoren, vor allem den Blick nach vorn zu richten, auf die Veränderungen und Anforderungen an Kirche und Gesellschaft weltweit über 2017 hinaus. Zugleich galt es Luthers Leben und Werk neu und kritisch zu beleuchten. Christen feierten den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin und mit einem großen Festwochenende zum Abschluss auf den Elbwiesen in Wittenberg sowie regionale Kirchentage.

Der Reformationsjubiläum wurde nach EKD-Angaben „weltoffen, international und ökumenisch gefeiert”. Das Reformationsjubiläum habe zu einer Verständigung über Wurzeln und Werte angeregt. Dies sei zu Zeiten großer gesellschaftlicher Herausforderungen sehr wertvoll, hatte das Kuratorium „Reformationsjubiläum 2017” erklärt.

Zehn Jahre Vorbereitung

Inhaltlich wurde das Jubiläum mit der Luther-Dekade zehn Jahre lang vorbereitet. Dabei gab es Veranstaltungsreihen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten rund um Luther, seine Weggefährten und die Auswirkungen der Reformation in Gegenwart und Zukunft. Kritik kam indes am Aufwand, den im Verhältnis dazu gesehen tatsächlichen Besucherzahlen und an den Kosten.

Bei der inhaltlichen Ausgestaltung sorgte Luthers Haltung zum Judentum, die er in Schmähschriften äußerte, für Diskussionen - nach Meinung von Kritikern kam dieses Kapitel in seinem Leben zu kurz in der öffentlichen Darstellung. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) betonte jedoch, die Evangelische Kirche habe „im Rahmen der Jubiläumsfeiern auch die Schattenseiten der Reformation nicht ausgespart und sich dabei noch einmal deutlich von problematischen Haltungen der Reformatoren gegenüber dem Judentum distanziert”.

Die Luther-Museen und weitere Stätten seines Wirkens wurden im Vorfeld des Reformationsjubiläums mit Millionenaufwand restauriert, Dauerausstellungen thematisch und mit modernen Konzepten aufgearbeitet. Zudem gab es 2017 große Ausstellungen und Events. So besuchten mehr als 200.000 Besucher die Nationale Sonderausstellung „Luther! 95 Schätze - 95 Menschen”. Diese ist noch bis zum 5. November in Wittenberg zu sehen.

(dpa)