Der Mauerfall und die Mode : Karottenjeans und Pudellook
Aachen/Berlin Was lange komisch wirkte, ist heute wieder Trend. Die Jeans in Karottenform, dazu Jeansjacken und Polohemden. Dauerwellen, Schnurrbärte und Vokuhila, also die Haare vorne kurz und hinten lang.
Blousons, selbst gestrickte Pullis, Schulterpolster, Sweatshirts mit Logo, Parkas, dazu Tücher mit glitzernden Lurex-Fäden. Die 80er Jahre waren lange ein gruseliges Kapitel, was die Mode angeht. Die Bilder vom Mauerfall wirkten bei den Jahrestagen im Rückblick komisch: Wie seltsam, was die Leute damals anhatten.
Mut zur Hässlichkeit
Das hat sich 30 Jahre später geändert, die 80er Jahre sind längst wieder da. Sie tun nicht mehr so weh wie früher. Davon kann nicht nur David Hasselhoff gut leben, der seit 1989 und seinem Auftritt am Brandenburger Tor zum Mauer-Maskottchen geworden ist. Auch die Modelabels und Second-Hand-Läden profitieren vom Revival. Polohemden, Omas Strickjacke, übergroße Sakkos, das ist alles ziemlich begehrt. Levi’s verkauft Jeansjacken, die schwer nach damals aussehen.
„Die Mode läuft in Zyklen ab“, erklärt David Roth vom Modeblog „Dandy Diary“. Er verweist auf die Theorie, wonach die einflussreichen Designer zum Höhepunkt ihres Schaffens zwischen 35 und 45 Jahre alt sind. Sie neigen demnach dazu, ihre modische Jugend in ihren Kollektionen aufzugreifen, das beeinflusst dann den heutigen Zeitgeist. „Das finde ich nachvollziehbar“, sagt Roth. Doch es seien immer neue Interpretationen. Alles kommt wieder, das stimmt für ihn so nicht. „Es sind Zitate, angepasst an die Zeit, in der wir leben.“
Bei den Bildern vom Mauerfall findet Roth sehr viele Jeans und auch „Kerle, die allesamt wie Wolfgang Petry aussehen“. Was von damals wieder cool ist? „Trainingsanzüge in Ballonseide, Jacketts mit breiten Schultern – der Office-Look, Dauerwelle und Vokuhila sind wieder hip.“
Auch große, auffällige Kragen sind damals wie heute populär. Heute sind sie es aus anderen Gründen, sagt Roth. Nämlich wegen der Selfies, bei denen normalerweise nicht mehr als das Gesicht und der Kragen zu sehen sind. Daher braucht es am Kragen Extravaganz. Brokatwesten bei den Männern, damals wichtiges Thema, sehe man aktuell hingegen nicht, sagt Roth. „Dafür dürfen wir dankbar sein.“
Keine einfache Aufgabe ist es für Kostümbildner, wenn sie Schauspieler und Statisten für Filme oder Serien einkleiden, die um 1989 spielen, schon allein, weil Ost und West unterschiedlich aussahen. „Im Osten war die Mode um einiges kreativer, weil die Menschen viel selbst gemacht haben, viel aufgenäht, verziert und aufgepeppt, weil die allgemeine VEB-Mode einheitlicher und auch langweiliger war“, sagt die Kostümbildnerin Kristin Horstmann. Um besonders zu sein, musste man basteln. Und der Osten habe sich anders angefühlt, härter und kratziger bei den Stoffen.
Die 38-Jährige hat für ihre Arbeit an historischen Filmen von Christian Schwochow („Bornholmer Straße“, „Westen“, „Novemberkind“) viel recherchiert, mit Hilfe von alten Zeitungen und Zeitschriften, Fotoalben und Zeitzeugen. Wichtig ist im Film eine gewisse Patina, die Kleidung darf nicht zu neu aussehen.
Für „Bornholmer Straße“ guckte sich Horstmann immer wieder die Videos von der Nacht des Mauerfalls an, um die Kostüme möglichst exakt nachzuempfinden. Was die Mode angeht, sieht sie in den 80er Jahren auch einen Mut zur Hässlichkeit: etwa bei hohen Taillen, dazu die großen Hosentaschen, was den Hintern größer werden lässt. Heute werden solche Jeans wieder gerne von jungen Frauen getragen. „Die 80er Jahre, wie wir sie modisch vom Mauerfall kennen, sind jetzt wieder da.“
Für die superstylishe Szene Berlins
Was Kristin Horstmann außerhalb der Kostüme auffällt: Damals gab es noch mehr Brillenträger und noch nicht so viele korrigierte Zähne, stattdessen schlechte Blondierungen und natürlich den Vokuhila. Nicht jedermanns Sache. Da sind am Set Perücken gefragt.
Die Frisuren von damals haben sich noch nicht wieder richtig durchgesetzt. Hier und dort gibt es heute wieder einen Vokuhila, das ist in Berliner Bars ein gut sichtbarer Trend. Aber was ist mit krisseligen Locken?
Shan Rahimkhan, einer der bekanntesten Friseure Berlins, hat zwei Mitarbeiter, die sich eine Dauerwelle gemacht haben, beide junge Männer. Er hält das als Trend aber für ein begrenztes Phänomen, für die superstylische Szene in Teilen Berlins. Es ist also noch kein großes Comeback. Also auch kein neuer Pudellook für Frauen? Nein. Rahimkhan lacht. „Wissen Sie, ich mache die Frauen schöner.“