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Offenburg: „Jemanden finden, der einen lieb hat”: Menschen mit Behinderungen

Offenburg : „Jemanden finden, der einen lieb hat”: Menschen mit Behinderungen

Jürgen lebt in einer kleinen Siedlung in Zell-Unterharmersbach bei Offenburg. Er wirkt eher still und braucht etwas länger, um zu erzählen. Seine Partnerin Marianne ist ganz anders: zupackend, fröhlich, offen.

Die beiden sind Menschen mit starken Lernschwierigkeiten und haben sich über eine Partnervermittlung kennengelernt, die sich auf Menschen mit Behinderungen spezialisiert hat: Herzenssache.net.

Für Jürgen war es Liebe auf den ersten Blick, bei Marianne hat es etwas länger gedauert. „Wir sind wie ein altes Ehepaar”, sagt sie heute. Zwei Jahre und drei Monate sind die beiden zusammen, nachdem sie übers Internet den ersten Kontakt knüpften.

Sozialpädagogin Beate Schwab vom „Club 82” im badischen Haslach ist eine der Initiatorinnen dieser neuen Partnervermittlung. Es dauerte eineinhalb Jahre, bis das Konzept von „Herzenssache.net” stand. Das Prinzip: Einrichtungen der Behindertenhilfe können sich beteiligen und Steckbriefe von Partnersuchenden in eine Internet-Datenbank einstellen. Diakonie und Caritas gehören zu den Vermittlern.

Die Steckbriefe, erläutert Schwab, bestehen aus zwei Fotos und Stichworten zu persönlichen Interessen, Hobbys und Bedürfnissen. Außerdem werde angegeben, ob ein Liebespartner, ein Freizeitpartner oder ein Partner für Sex gesucht wird. Fast alle suchten nur Liebespartner, es sei „der große Wunsch, jemanden zu finden, der einen lieb hat”. Ob sich Interessenten treffen, entscheiden diese selbst, berichtet die Sozialpädagogin. Viele wollten, dass eine Begleitung zum ersten Treffen mitkommt.

Warum sich Menschen mit Handicap für eine Partnervermittlung entscheiden, lässt sich leicht erklären: Durch das Leben in Heimen oder betreutem Wohnen und die Arbeit in Behindertenwerkstätten gebe es wenig Freiräume, sich auszuprobieren oder einfach einmal zu flirten. Die ländliche Umgebung vieler Heime kommt hinzu. Der Wunsch nach einem Partner sei groß, konkrete Vorstellungen gebe es aber wenige, sagt Beate Schwab.

Vieles, betont Beate Schwab, sei wie bei anderen Paaren auch. Es gehe nicht so sehr darum, ob auch der Partner ein Handicap habe - wenn sich zwei ergänzten, sei es günstig. Keines der Paare, fügt sie hinzu, werde alleingelassen, wenn es Fragen gebe, etwa zum Umgang mit Sexualität, das sei „sehr wichtig”.

Wie es für sie weitergeht, wissen Marianne und Jürgen ganz genau. Sie wollen zusammenziehen. Das wäre eine große Veränderung: Im Moment sehen sich die beiden alle zwei Wochen. Zwischendurch muss das Telefon genügen. Internet: epd lbw rks