Düsseldorf : „In aller Stille”: Die Toten Hosen haben den Blues
Düsseldorf Die Toten Hosen im Jahr 26 ihrer Bandgeschichte: Die Popularität der Düsseldorfer Punkrocker ist ungebrochen. Für ihre „Machmalauter”-Tour, die kommende Woche in Mannheim beginnt, sind bereits 250.000 Tickets verkauft.
Und das, obwohl sich die Band mit drei Jahren Auszeit ihre bislang längste Pause gegönnt hat. An diesem Freitag kommt nun das lange erwartete erste Studioalbum seit vier Jahren heraus - und überrascht: Ganz im Gegensatz zur Tour heißt es „In aller Stille” und ist so nachdenklich und melancholisch wie keines der 18 Alben davor.
In den Stücken geht es ums Älterwerden und Abschied nehmen. Die Lieder heißen „Ertrinken”, „Angst”, „Alles was war”, „Pessimist” oder „Leben ist tödlich”. „Auf Schenkelklopfer wie "10 kleine Jägermeister" haben wir diesmal bewusst verzichtet”, berichtet Frontmann Campino (46) im dpa-Interview. Dass die Punkrocker - während des 25-jährigen Jubiläums im vergangenen Jahr ständig mit Fragen zu ihrem Alter konfrontiert - plötzlich von einer Midlife Crisis befallen sind, wird vom Sänger vehement dementiert: „Ich bin weit entfernt von einer Midlife Crisis und weiß eigentlich gar nicht, was das ist. Mir ist völlig egal, dass ich auf die 50 zugehe.”
So liegt es nahe, dass sich in dem Album persönliche Krisen widerspiegeln, immerhin ist Campinos privates Glück zerbrochen: Die einstige Lebensgefährtin und sein Sohn leben inzwischen von ihm getrennt. Dass die neue Nachdenklichkeit der Hosen-Stücke ihren Ursprung in eigenen Erfahrungen hat, sei schon richtig. „Diese Karl- May-Fähigkeit, über Dinge zu schreiben, die man nie gesehen hat, habe ich nicht. Es geht für mich aber nicht darum, Seelentherapie zu betreiben. Die Leute sollen nicht denken: "Was ist dem da widerfahren?" Ich hoffe vielmehr, dass sie sich in den Stücken mit ihren eigenen Erfahrungen wiederfinden.”
Außerdem hinterließ das Berliner Theater-Intermezzo Campinos in Brechts „Dreigroschenoper” Spuren: „Durch das Theater habe ich wieder unheimliche Lust an der Sprache und am Texten bekommen.” Das Ergebnis sind eine Reihe von Balladen und das erste Duett, gemeinsam mit der österreichischen Schauspielerin Birgit Minichmayr.
„Die Toten Hosen können heute nicht mehr der Soundtrack sein für 20-Jährige, die randalieren wollen. Wir haben zu viel gesehen, um diese Schiene noch bedienen zu können.” Außerdem „würden wir uns mit Liedern wie "Opel-Gang" lächerlich machen, wenn wir heute damit herauskämen”.
Am politischen Anspruch hält die Band fest, unterbrach ihre Pause sogar für den Protest gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm. Das Stück „Die letzte Schlacht” greift die jüngsten Datenskandale und die Datensammelwut der Unternehmen auf. Dabei ziehen die Hosen mit einer Liedzeile den Hut vor den großen Polit-Rockern der 70er und 80er Jahre, Ton Steine Scherben. „Die letzte Schlacht gewinnen wir” sang einst Rio Reiser, für Campino „eine ganz große Ausnahme-Erscheinung als Texter in der deutschen Musikkultur”.
Dass die Live-Konzerte der Hosen zu schwermütigen Abendveranstaltungen werden, ist aber nicht zu befürchten: „Wir brennen darauf, dass es wieder losgeht. Die Karten sind neu gemischt.” Außerdem steht das erste Stück des neuen Albums als Versprechen dagegen: „Ihr könnt aufwachen, wir sind wieder da”, heißt es dort - und: „Wir schwitzen Lärm aus uns heraus (...) Dieser Lärm hört niemals auf.”