1. Panorama

Washington: Hand aufs Herz: Die US-Nationalhymne wird 200 Jahre alt

Washington : Hand aufs Herz: Die US-Nationalhymne wird 200 Jahre alt

Die Vorgaben sind eindeutig: „Wenn die Nationalhymne gespielt wird, sollen alle Anwesenden sich in Richtung der Musik wenden”, heißt es im „United States Code”, dem Bundesrecht der Vereinigten Staaten. Menschen in Uniform sollen dann bis zu letzten Note salutieren, alle anderen die rechte Hand auf das Herz legen. Kopfbedeckungen sind abzunehmen.

In Deutschland wirkt so etwas schnell befremdlich - in den USA ist es patriotischer Alltag. Vor jedem großen Sportereignis, egal ob in der Schule oder bei den Profis, zum Saisonauftakt an den großen Opernhäusern, bei der Einweihung neuer Gebäude und bei unendlich vielen weiteren Veranstaltungen, stets wird der „Star-Spangled Banner” gespielt. Und stets stehen die meisten Amerikaner sofort auf, legen mit einem Glitzern in den Augen die Hand aufs Herz und singen inbrünstig mit.

Der an diesem Sonntag (14. September) vor genau 200 Jahren vom amerikanischen Rechtsanwalt Francis Scott Key geschriebene und 1931 offiziell zur Nationalhymne erklärte Text und die dazugehörige Melodie, die von einem englischen Trinklied stammt, sind in den USA beliebt wie eh und je. Auch in der restlichen Welt gehört die Hymne inzwischen wohl zu den bekanntesten Liedern.

Schon kleine Kinder können das Stück perfekt singen - dabei ist es ganz schön kompliziert zu merken, anspruchsvoll zu singen und ziemlich kampfeslustig im Text. Von „rockets red glare” (der Raketen grelles, rotes Licht) und „bombs bursting in air” (in der Luft explodierende Bomben) ist da die Rede - aber hauptsache am Ende weht der „Star Spangled Banner”, die Fahne der USA, die dem Lied auch den Namen gegeben hat, „über dem Land der Freien und der Heimat der Tapferen”. Nicht allen Amerikanern ist so ganz genau klar, worum es in dem Lied geht, aber über den Symbolwert sind sich alle einig: Hoffnung, Zusammenstehen, Glaube an das Land, sein Volk und den „American Dream”.

„Für einen Amerikaner ist es das wichtigste Lied überhaupt”, sagte John Amirante, der seit 1980 vor jedem Spiel der Eishockey-Mannschaft New York Rangers die Nationalhymne singt, dem britischen „Guardian”. „Es steht für unser Land. Viele Menschen, die unser Land und unsere Fahne verteidigt haben, sind dabei gestorben und darum geht es mir, wenn ich es singe. Es kommt von Herzen.”

Diskussionen darüber, ob beispielsweise Fußballer, die nicht im Land geboren sind, vor den Spielen bei der Hymne mitsingen sollten, sind in den USA unbekannt. Jeder singt mit, das ist völlig klar. Der frühere deutsche Fußballprofi und heutige Trainer der US-Mannschaft, Jürgen Klinsmann, behalf sich bei der Weltmeisterschaft in Brasilien als die Teams aus Deutschland und den USA aufeinandertrafen einfach damit, dass er beide Hymnen lauthals mitsang.

Nur aus anderen Ländern kommt manchmal Kritik an dem Stück. Ein „widerliches Werk” nannte der kanadische Schriftsteller Malcolm Gladwell das Lied jüngst. „Sie lassen darin Dinge in die Luft gehen”, zitiert ihn der britische „Guardian”. „Es geht um Raketen und Bomben. Das ist ihre Nationalhymne. Braucht man mehr Einblick in die amerikanische Seele?”

In den USA selbst nutzte zuletzt 1969 ein Musiker die Hymne öffentlichkeitswirksam zur Kritik am eigenen Land - und sollte damit weltberühmt werden. Der ein Jahr später gestorbene Jimi Hendrix verzerrte das Stück beim Woodstock-Festival mit seiner Gitarre derart, dass die Kritik am Vietnam-Krieg deutlich herauszuhören war. Aber auch das sei Teil der Geschichte der Hymne, sagte der Musikwissenschaftler Mark Clague der „New York Times”. „Wenn man das Lied als etwas ansieht, das sich immer weiterentwickelt, dann versteht man, dass es unser Land ist - nur in Musikform.”

(dpa)