Guckst Du Loriot?
<b>Berlin. Die Literaturkritikerin Elke Heidenreich hat es vor wenigen Wochen etwas pathetisch auf den Punkt gebracht: „Ach, Loriot, wo sind Sie?”, rief sie mitten im Streit um Qualität im Fernsehen dem fast 85-Jährigen aus der „FAZ” verzweifelt zu.
Wenige Tage später wurde sie vom ZDF entlassen. Nicht wegen ihrer Loriot-Bemerkung, sondern wegen ihrer drastischen Worte, mit der sie „die Ebene einer sachlichen Auseinandersetzung verlassen” habe, wie es beim ZDF unter anderem hieß.
Aber die Frage ist gestellt: Wo ist Loriot? Mithin also: Wer kann im Fernsehen anerkanntermaßen für Qualität sorgen? Loriot, bürgerlich Bernhard Victor (Vicco) Christoph Carl von Bülow, der am Mittwoch, 12. November, seinen 85. Geburtstag begeht, hat sie bereits für sich beantwortet: Er ist dafür nicht mehr zuständig.
Im Frühjahr 2006 hat Loriot das Fernsehen als sein Arbeitsmedium abgehakt: „Für meine Komik ist kein Platz mehr im TV”, sagte er damals der „Bild”-Zeitung und in der ZDF-Sendung „Kerner”. Zu kurzatmig sei das Fernsehen geworden: „Bei einer solchen Schlagzahl kann man einfach keine komische Qualität erreichen”, lautete sein Qualitätsurteil. Und: Schlichte Komik sei heutzutage ein „leider immer populärer werdendes Stilmittel”.
Das Geheimnis seines Erfolges beschrieb der Humorist einmal ohne einen Anflug von Humor so: „Das Herstellen von Komik ist schwere Arbeit. Es ist Quälerei. Da kommt es auf Rhythmus und Genauigkeit an.” Und nicht nur die im Oktober 2007 verstorbene Schauspielerin Evelyn Hamann, über Jahrzehnte seine kongeniale Film- und Fernsehpartnerin, wusste, wie mühsam das sein konnte - und wie lohnend. Im Zweifelsfall lieber noch eine weitere, vielleicht bessere Szenenklappe drehen oder etwas Überflüssiges kürzen - also ziemlich genau das Gegenteil von dem, was heute Stand-up-Comedy heißt.
Zudem hat Loriot seine Komik - mit wenigen Ausnahmen wie etwa dem trotzigen, verzogenen Kind Dicki Hoppenstedt - immer aus reiferen Charakteren bezogen. Weil, so die Loriotsche Diktion, das Scheitern am Mitmenschen oder an der Tücke des Objekts nur bei erfahrenen, nicht aber bei jüngeren Menschen wirklich komisch sei. Worüber man geteilter Meinung sein kann. Bei den Jüngeren jedenfalls können immer mehr mit Loriots Humor wenig anfangen.
Und das gilt auch für manche Comedians dieser Generation, so am vergangenen Sonntag Kaya Yanar. Der sagte im Radio von Bayern 3 unverblümt: „Ich weiß, jetzt gibts wieder einige, die sich beschweren werden! Ich sage jetzt mal als Komikerkollege zu Loriot, wenn ich das überhaupt darf! Loriot ist unangreifbar in Deutschland.” Wenn es Kritiken gebe über die neuen Komiker - ihn, Atze Schröder, Mittermeier - dann heiße es immer: „Ja den finden wir ganz nett, aber Loriot! Da kommt keiner ran.”
Kanar glaubt gar, dass die Loriotschen Sketche nicht mehr zeitgemäß seien. „Dann sag ich, dann guck dir die Sketche halt noch mal an, vielleicht damals der Knaller, aber ich finde da ist kein Tempo drin! Da kotze ich, wenn meine Wenigkeit und Komikerkollegen immer an Loriot verglichen werden. Ihn finde ich ja sympathisch, er sagt ja auch, die kommen von den Produktionsumständen gar nicht mehr an die Qualität ran. Meine Vermutung: Wenn Loriot heute Sketche machen würde, wer weiß, ob der noch so gut wäre.”
Loriot selber macht keinen Hehl daraus, dass das Fernsehen von heute wenig mit jenem Medium zu tun hat, in dem er 1967 erstmals die Sendung „Cartoon” für die ARD moderierte und in den 70er Jahren die Serie „Loriots sauberer Bildschirm” mit Cartoons und Sketchen an der Seite von Evelyn Hamann präsentierte. Es gab nur drei Programme und noch keinen Quotendruck.
Die ARD wird Loriot am Donnerstag (13. November, 22.45 Uhr) mit einer Porträtcollage ehren. Auf zahlreiche bekannte und noch unbekannte Pointen darf man sich freuen. Die jüngste lieferte Loriot vor einer Woche bei der Eröffnung der Ausstellung „Loriot. Die Hommage” im Museum für Film und Fernsehen in Berlin: „Sind Karikaturen Kunst? Der Unterschied ist: Der bildende Künstler schneidet sich gelegentlich ein Ohr ab. Der Karikaturist nicht.”
Solche Bonmots und Sketche können viele Menschen auch nach fast 40 Jahren auswendig aufsagen. So entstehen Klassiker und Kulturgut. Wer künftig einmal Ähnliches leisten wird? Loriot sagt, dass er vor der Arbeit eines Olli Dittrich hohe Achtung hat. Vielleicht wissen wir bei Loriots 90. Geburtstag mehr. Aber vorher sollen, sagt sein langjähriger Regisseur und Freund, Stefan Lukschy, die gesammelten musikalischen Werke des Wagnerianers Loriot erscheinen.