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Die Zeitumstellung soll abgeschafft werden - ewig Sommer- oder Winterzeit?

Ewig Sommer- oder Winterzeit? : Das Dilemma mit der Zeitumstellung

Es ist ein Ritual, das für die Deutschen 1980 begann: Zwei Mal im Jahr – am letzten März- und am letzten Oktober-Wochenende – werden die Uhren umgestellt. Das könnte bald vorbei sein.

Nachdem die Brüsseler EU-Kommission im Sommer eine öffentliche Befragung durchgeführt hatte, stand fest: Eine Mehrheit von 84 Prozent der Teilnehmer will das Herumspielen an den Uhren nicht mehr. Wirklich repräsentativ verlief das Votum allerdings nicht: 4,6 Millionen EU-Bürger beteiligten sich, die meisten Stimmen kamen aus der Bundesrepublik. Als Spiegel für die europäische Stimmung kann das Ergebnis nicht herhalten. Doch was nun? Sommerzeit für immer? Oder die Winterzeit, die eigentlich die Normalzeit ist, auf Dauer?

In der Öffentlichkeit entstand schnell der Eindruck, die Mehrzahl der Menschen wolle lieber längere helle Phasen auch im Winter, was mit der Sommerzeit möglich wäre. Erst vor wenigen Wochen sprachen sich bei einer Umfrage in der Bundesrepublik 51 Prozent für den dauerhaften chronologischen Sommer aus – ein überraschendes Ergebnis. Beobachter hatten mit einem klareren Trend gerechnet. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält trotzdem an seiner Linie fest: „Die Menschen möchten auch im Winter, Herbst und Frühjahr nach harter Arbeit und Schule noch freie Zeit bei Tageslicht haben.“ Also Sommerzeit für immer?

Doch so einfach ist das nicht. In den Arbeitsgruppen der Mitgliedstaaten, die inzwischen in Brüssel tagen, zeichnet sich ein höchst unterschiedliches Bild ab: Portugal würde ebenso wie Griechenland am liebsten bei der heutigen Lösung bleiben und die Uhren weiter zwei Mal jährlich umstellen. Frankreich und Spanien tendieren ebenso wie die Niederlande, Dänemark und Finnland zur winterlichen Normalzeit als dauerhaften Weg. Deutschland, Polen und Zypern sowie die baltischen Staaten treten für die ewige Sommerzeit ein. Am kommenden Montag tagen die Minister der Mitgliedstaaten in Graz. Dort steht das Thema erstmals auf der Tagesordnung.

Bevölkerung befragen?

Eine Einigung scheint nicht in Sicht. Einverständnis gibt es nur in einem Punkt: Der von der Kommission gesetzte Zeitplan ist nicht zu halten. Präsident Jean-Claude Juncker wollte nämlich keine von seiner Behörde verordnete Lösung, sondern hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis Ende März 2019 nach Brüssel zu melden, wie die Uhren bei ihnen künftig ticken sollen. Ob es bis dahin gegenseitige Absprachen gibt, ist offen. In einigen Regierungshauptstädten wird überlegt, die Bevölkerung zu befragen. Das ist in der knappen Zeit kaum zu schaffen.

Bei den Unternehmen gibt es unterschiedliche Meinungen. Aus der Führungsetage der Deutschen Bahn heißt es, mehrere Zeitzonen seien unproblematisch. Im grenzüberschreitenden Verkehr würden notfalls die Ankunfts- und Abfahrtszeiten angepasst. Schwieriger könnte es beim Luftverkehr werden, betont der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. „Der drohende Flickenteppich von einzelnen nationalstaatlichen Regelungen würde die Flugpläne der Fluggesellschaften und Flughäfen erheblich durcheinanderbringen.“ Schließlich müssten die Slots für Starts und Landungen angepasst werden. Bei längeren Verbindungen könne dies mit den Nachtflugverboten kollidieren.

Die Chronobiologen, die sich mit den Auswirkungen der Zeitumstellung auf den Menschen befassen, halten die dauerhafte Sommerzeit für einen „großen Fehler“. Zwar könne die EU die Umstellung der Uhren abschaffen, „sie sollte sich aber nicht für die falsche Variante entscheiden“, meint beispielsweise der Wissenschaftler Michael Wieden. Es sei am natürlichsten, wenn sich die Uhrzeit am Zenit der Sonne orientiert. Mittags um zwölf steht das Gestirn am höchsten Punkt seiner Laufbahn – damit entspräche diese Normalzeit auch dem Zeitgefühl der Menschen.

Fest steht deshalb bisher wohl nur eines: Am Sonntag, den 31. März 2019, beginnt die nächste Sommerzeit. Für wie lange?