Hamburg : Die Geburt Jesu in Zeiten der kapitalistischen „Götterdämmerung”
Hamburg Die christliche Weihnachtsbotschaft von der Geburt Jesu vor 2000 Jahren - der Menschwerdung Gottes - hat auch eine soziale Dimension. Schon die in der Bibel erzählte Geschichte von der ärmlichen Geburt in einem Stall in Bethlehem macht dies deutlich: Die erste Huldigung des Neugeborenen, das in einer Futterkrippe für Tiere liegt, durch einfache Hirten.
Sie, denen ein Engel die Geburt verkündete, waren die ersten Adressaten der himmlischen Botschaft - „Gottes Glanz umleuchtete sie”, als der Engel ihnen erschien.
Die steht im krassen Gegensatz zum Bewusstsein und Stil, wie Weihnachten oft als Konsumfest begangen wird. Dies ist auch immer wieder beklagt und glossiert worden, schon seit Generationen.
Da war auch kritisch die Rede von der Rolle der Kirche als Zeremonienmeister des weihnachtlichen Warenaustauschs. Ein Geistlicher: „Der Engel sagte ja bei der Geburt Jesu den Hirten nicht seht, ich gebe euch hier eine Liste von Sonderangeboten, sondern seht, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volke widerfahren wird.”
Die sozialpolitische Sprengkraft des Evangeliums findet in Zeiten des Turbokapitalismus und der Wirtschaftskrise wieder größere Aufmerksamkeit.
Ein Beispiel ist das im November erschienene und in die Bestsellerlisten gekletterte Buch „Das Kapital - Ein Plädoyer für den Menschen”.
Darin verurteilt der Erzbischof von München und Freising Reinhard Marx aus christlicher Sicht, speziell der katholischen Soziallehre, eine Wirtschaft ohne Menschlichkeit und Solidarität.
Die Zeitschrift „Zeitzeichen. Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft” kündigt auf der Titelseite ihrer Dezember-Ausgabe gemeinsam an: „Angela Merkel: Christliche Werte” und „Friedhelm Hengsbach: Wohin führt die Finanzkrise?”.
Hengsbach ist Professor für Sozialethik an der St. Georgen-Universität in Frankfurt am Main. In dem Text der Bundeskanzlerin mit der Überschrift „Dem Stern folgen” (der in der Weihnachtsgeschichte den Weg nach Bethlehem weist), heißt es: „In der Advents- und Weihnachtszeit bietet es sich besonders an, innezuhalten und sich der eigenen Grundüberzeugungen zu besinnen.”
Sie glaubt, dass „die christlichen Werte und Traditionen die richtige Richtung für ein gedeihliches Miteinander und ein Leben in Frieden weisen.”
Der Jesuit Hengsbach erwartet von den politisch Verantwortlichen ein Bewusstsein, dass die globalem Finanzmächte „den gesellschaftlichen Normen der Gerechtigkeit und Fairness unterstellt sind”.
Und dass „die internationale Finanzwirtschaft dem Zweck dient, das Wohl und die Lebensqualität der Weltbevölkerung, vor allem der Armen in der Welt zu mehren.”
Besonders pointiert-kritisch hat sich der Gründer und Leiter der überregionalen und überkonfessionellen Initiative „Andere Zeiten” (Sitz Hamburg), Pastor Hinrich C.G. Westphal, im Kontext der Weihnachtszeit zur Finanzkrise geäußert.
„Andere Zeiten” will einer kommerzialisierten Gesellschaft etwas Spirituelles entgegensetzen: Angebote, die helfen, die Zeiten des Kirchenjahres und die christlichen Texte wiederzuentdecken und sinnvoll zu gestalten.
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte Westphal: „Der Glaube an den Fortschritt und die Gier nach Mehr haben einen Dämpfer bekommen, einige Banker, die sich wie Halbgötter im Maßanzug benahmen, stehen wie nackte Kaiser da.”
Allzu lange hätten sie sich wie moderne Gurus geriert, allein die Deutungshoheit der Welt mit ihren Sachzwängen und Eigengesetzlichkeiten für sich in Anspruch genommen, andere aber als nichtwissend, weltfremd und naiv angesehen. Und viele, vom Rentner bis zum Staatsbeamten, hätten sich in den Sog der Gier ziehen lassen und nur zu gern der pseudoreligiösem Plausibilität jener scheinbar Wissenden vertraut - getreu der Erkenntnis „Mundus vult decipi, ergo decipiatur” (die Welt will betrogen werden, also soll sie betrogen werden).
Westphal fürchtet, dass nur in den seltensten Fällen jene Banker und viele ihrer Kunden bei dieser „Götterdämmerung” etwas gelernt haben. „Sicher werden einige Hauptschuldige eine Weile vorsichtiger und noch trickreicher vorgehen”, sagte er hierzu.
Die Feststellung der Bibel „Du kannst nicht zwei Herren dienen, nicht Gott und dem Mammon” setze aber einen grundsätzlichen System- und Herrschaftswechel voraus, der klare ethische Konsequenzen hat. „Da kann man nicht länger naiv darauf spekulieren, dass man 25 Prozent Zinsen erwirtschaftet, ohne anderen zu schaden. Da wird man nicht mehr seines Nächsten Haus begehren, auch wenn diese Immobilie im fernen Amerika steht. Da muss man seine Maßstäbe nicht mehr am Haben ausrichten, sondern eher am Sein. Da sollte man sein christliches Gewissen reaktivieren und auf unveränderliche Werte vertrauen. Da kann man sich wieder stärker an die Praxis der Nächstenliebe und des Teilens erinnern und des Nachts gut schlafen.”