Strafverfahren gegen Ghislaine Maxwell : Der Schatten Epsteins hängt über seiner Vertrauten
New York Zum Prozessauftakt gegen Ghislaine Maxwell porträtiert die Verteidigung die Vertraute des Milliardärs Jeffrey Epstein als Opfer. Die Anklage zeichnet ein ganz anderes Bild.
Vor Beginn des mit Spannung erwarteten Verfahrens ließ Richterin Alison Nathan eine Gesichtszeichnung von der Wand nehmen. Diese war bei einer Anhörung Jeffrey Epsteins vor dem Bundesgericht von Lower Manhattan nach seiner Festnahme im Juli 2019 wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger entstanden. Kurz darauf erhängte sich der in Dutzenden Fällen schwer belastete Milliardär in seiner Gefängniszelle.
Das abgehängte Porträt war Teil einer Ausstellung auf dem Korridor des Gerichts, die Epstein in die Skizzen berühmter Krimineller einreihte, wie den Mafia-Boss John Gotti, den wegen Korruption verurteilten Sprecher des New Yorker Parlaments Sheldon Silver oder den Terroristen Ramzi Yousef.
Trotz seines Verschwindens aus der Galerie gab es vor der Präsenz des als „Monster“ charakterisierten Epstein zum Prozessauftakt kein Entkommen. Dafür sorgte allein schon Bundesanwältin Lara Pomerantz, die keine Gelegenheit ausließ, Maxwell in einem Atemzug mit dem Mann zu nennen, der sich der Justiz durch Selbstmord entzogen hatte.
„Die Angeklagte war Epsteins engste Vertraute und Stellvertreterin“, beschrieb die Staatsanwältin in der Anklage das Verhältnis der 59-Jährigen zu dem Milliardär. Sie habe mit jedem Detail seines Lebens etwas zu tun gehabt. Während der zehn Jahre ihrer Beziehung hätte sie „diese Verbrechen mit Epstein zusammen begangen“. Maxwell sei „die Lady des Hauses gewesen“.
Der zentrale Vorwurf gegen die Tochter des verstorbenen britischen Medienmagnaten Robert Maxwell ist seit ihrer Festnahme im vergangenen Jahr gut bekannt. Sie soll Epstein dabei geholfen haben, das Vertrauen junger, oft minderjähriger Frauen zu gewinnen und diese sexuell gefügig zu machen. Dafür habe sich Maxwell als Freundin angeboten, die mit den Mädchen über Intimitäten sprach, mit ihnen auf Einkaufstour ging und sich laut Anklage vor ihnen auszog. Ihre Anwesenheit als ältere Frau beim Sexualverkehr Epsteins mit Minderjährigen, habe dazu gedient „die Opfer zu beruhigen.“
Das Schlüsselwort der Anklage lautet „Grooming“, womit in den USA die Gewöhnung an ein in diesem Fall strafrechtlich bewährtes Verhalten gemeint ist. Im Laufe des auf sechs Wochen angesetzten Prozesses werden vier Zeuginnen vor Gericht auftreten, die für die Staatsanwaltschaft beweisen sollen, dass Maxwell nicht Opfer, sondern Organisatorin eines Sex-Rings war, der von Palm Beach über New York und New Mexico bis hin zu einer Privatinsel der Jungferninseln reichte.
Für die Verteidigung versuchte Bobbi Sternheim den langjährigen Freund seiner Mandantin so verschwinden zu lassen wie die Gerichtsskizze. Maxwell sei ein Sündenbock, die nun den Kopf für etwas hinhalten müssen, mit dem sie nichts zu tun habe. Eine Art Lückenfüller der Justiz, deren Arm sich Epstein durch seinen Suizid entzogen hatte.
Sternheim entwarf das Bild einer Frau, die sich, wie andere, von dem „Charme“ Epsteins verführen ließ. Dieser sei so etwas wie ein „James Bond des 21. Jahrhunderts“ gewesen. Ein Mann mit „vielen positiven Eigenschaften“, der einen großen Teil seines Vermögens großzügig für wohltätige Zwecke weggegeben habe.
Vor Prozessbeginn hatte die Verteidigung über die Bedingungen der Untersuchungshaft im berüchtigten "Metropolitan Detention Center" von Brooklyn geklagt. Das Essen sei ungenießbar und die ständige Überwachung Maxwells unwürdig.
Gemessen an dieser Beschwerde machte die Angeklagte einen munteren Eindruck, als sie mit einem cremefarbenen Rollkragenpullover den Gerichtssaal betrat. Sie winkte ihrer Schwester Isabel zu, die aus der ersten Reihe das Geschehen verfolgte. Maxwell raunte während der Verhandlungen ihren Verteidigern immer wieder Dinge zu oder gab ihnen Zettel mit Botschaften.
Beobachter wie die ehemalige Bundesanwältin Moira Penza sind sich einig, dass Verteidigung und Staatsanwaltschaft in den kommenden Wochen versuchen werden, das Verhältnis der Angeklagten zu Epstein aus ihrer Sicht darzustellen. „Es geht in diesem Fall um Maxwell, aber genauso im Mittelpunkt steht er.“ Daran dürfte das Abhängen der Gerichtsskizze wenig ändern.