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Düsseldorf: Anwaltsroben aus dem Knast: Häftlinge entlasten Landeshaushalt

Düsseldorf : Anwaltsroben aus dem Knast: Häftlinge entlasten Landeshaushalt

Ob Mülleimer, Aschenbecher, Geschenkartikel oder Bekleidung, selbst Zellengitter und Roben für den Staatsanwalt kommen aus den Werkstätten der Haftanstalten.

„Im vergangenen Jahr konnte in NRW mit durchschnittlich 10.225 zur Arbeit eingesetzten Häftlingen die Beschäftigungsquote auf fast 60 Prozent gesteigert werden”, erklärt Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU).

Dabei erwirtschafteten nach ihren Berechnungen die Gefangenen im Strafvollzug des bevölkerungsreichsten Bundeslandes im vergangenen Jahr knapp 45 Millionen Euro. Neben besseren Chancen für die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben nach der Haft würde durch diese Einnahmen auch der Landeshaushalt entsprechend entlastet, betont die Ministerin.

Nach Recht und Gesetz besteht für Gefängnis-Insassen in Deutschland Arbeitspflicht. Doch mangels Arbeitsplätzen muss hierzulande niemand dazu gezwungen werden. Im Gegenteil. „Jobs im Knast sind gefragt, auch, weil die Häftlinge damit etwas Geld verdienen können”, erklärt Peter Reinirkens von der Justizvollzugsanstalt in Gelsenkirchen, der seit Jahren mit Inhaftierten arbeitet und im Gefängnis schlicht „das Arbeitsamt” genannt wird.

In der Strafanstalt im niederrheinischen Kleve etwa werden Gittertüren und -fenster für die übrigen Gefängnisse und die Polizeizellen an Rhein und Ruhr hergestellt. In der JVA im niedersächsischen Celle werden unter anderem Roben für Richter und Staatsanwälte geschneidert.

Auch Aktengurte für den Transport von Gefängnis- oder Prozess-Unterlagen werden von Häftlingen produziert. „Die Zeiten des legendären Tütenklebens im Gefängnis, wie man sie etwa aus alten UFA-Filmen kennt, sind längst abgelaufen”, betont ein Mitarbeiter im Landesjustiz-Vollzugsamt in Wuppertal.

Die Behörde ist stolz darauf, dass der moderne Strafvollzug arbeitstherapeutische Maßnahmen, berufliche und schulische Aus- und Weiterbildung, Beschäftigung in Eigen- und Unternehmerbetrieben sowie Hilfstätigkeiten bietet.

Jens Klotzsch von der Landes-Justizvollzugsarbeitsverwaltung Niedersachsen verweist auf den Paragrafen 37 des Strafvollzugsgesetzes, nach dem jedem Gefangenen eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit zugewiesen werden soll, die seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Allerdings macht die Globalisierung nicht vor den Toren der Gefängnisse halt.

„Die JVAs als Produktionsstätten konkurrieren auch mit den Billiglöhnen etwa in Osteuropa oder in Fernost, gerade wenn sie in strukturschwachen Räumen liegen”, so ein Werkstattleiter. Nach Angaben des Landesvollzugsamtes in Wuppertal gibt es in NRW als Eigenbetriebe der Haftanstalten vor allem Schreinereien, Schlossereien, Druckereien und Buchbindereien.

In erster Linie werden in diesen Betrieben Produkte für Behörden erstellt. Auch immer mehr private Abnehmer erkennen die Vorzüge der qualitativ meist hochwertigen Arbeit der Justizvollzugsanstalten, hieß es aus der Behörde.

Spielzeug, Dekorations- oder Geschenkartikel werden vor allem in den Arbeitstherapien hergestellt und inzwischen auch über das Internet vertrieben. Der JVA-Shop etwa ist eine Einrichtung für den Online-Verkauf von Artikeln, die von Häftlingen in niedersächsischen Gefängnissen produziert werden. Er soll nach Angaben des Ministeriums dazu beitragen, der Öffentlichkeit die Bedeutung der Arbeit von Gefangenen transparenter zu machen und den Produktverkauf fördern.

Neben Kerzenständern und der Heiligen Familie gibt es auch einen hölzernen Weihnachtsbaum mit Beleuchtung im Sortiment. Peter Reinirkens von der JVA in Gelsenkirchen rechnet vor, dass ein Häftling je nach Tätigkeit, Fähigkeit und Familienstand zwischen 10,81 und 15,23 Euro pro Tag verdient.

Knapp ein Drittel des Lohns wird für den Gefangenen auf einem Konto für das Ende seiner Haftzeit gespart, was ihm den Einstieg in das Leben nach dem Knast erleichtern soll, wie ein Sprecher des NRW-Justizministeriums erläutert.

Nach einem Jahr Arbeit im Gefängnis stehen jedem Gefangenen außerdem 18 arbeitsfreie Tage pro Jahr zu, an denen der Lohn weiter gezahlt wird. In die JVA Aachen jedenfalls kommen sogar auswärtige Besucher, um die Gourmet-Menüs der Häftlinge zu verzehren.

Und im niederrheinischen Moers haben kürzlich Knackis ein Brettspiel mit dem Namen „Ohne Bewährung” ausgetüftelt, bei dem sich die Spieler mit Glück und Geschick den Weg in die Freiheit bahnen können.