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Hochstaplerin aus Eschweiler: Anna Sorokin in New York aus der Haft entlassen

Hochstaplerin aus Eschweiler : Anna Sorokin in New York aus der Haft entlassen

Die deutsche Hochstaplerin Anna Sorokin ist wieder auf freiem Fuß und beschreibt, wie sie die vergangenen Monate erlebt hat.

Es ging dann doch schneller als von vielen gedacht: Die aus Eschweiler stammende Hochstaplerin Anna Sorokin ist in New York aus der Haft entlassen worden. Nach anderthalb Jahren ist die verurteilte Betrügerin jetzt wieder auf freiem Fuß. Die 30-Jährige war nach Angaben der New Yorker Gefängnisbehörde am Donnerstag wegen guter Führung aus der Haft entlassen worden – deutlich früher als die bei ihrer Verurteilung 2019 angenommenen, mindestens vier Jahre.

Längst streift sie nun wieder durch die Shops in New York, war beim Friseur, äußert sich vor laufenden Kameras zu dem, was sie erlebt hat und vor allem zu dem, was noch kommen soll. Im Gefängnis habe sie an einem Programm zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft teilgenommen, das aus Sorokins Sicht allerdings veraltet und nicht zielführend war: „Es ist einfach sinnlos. Es ist eine enorme Zeitverschwendung.“

Gegenüber dem Magazin „Insider“ beschrieb Sorokin, die in Eschweiler ihr Abitur gemacht hat und sich inzwischen selbst Anna Delvey nennt am Montag, wie sie die vergangenen mehr als anderthalb Jahre erlebt hat: „Du bist einfach da. Du darfst keine Kleidung und kein Telefon haben. Aber egal. Wenn man sich auf das konzentriert, was einem gefällt und man tun möchte, kann man dafür sorgen, dass es funktioniert“, so Sorokin.

Angebliche Millionenerbin Anna Delvey

Sorokin war schuldig gesprochen worden, weil sie sich in der High Society von Manhattan als angebliche Millionenerbin Anna Delvey Leistungen im Wert von mehr als 200.000 Dollar (rund 180.000 Euro) erschlichen hatte. Sie gab an, bald 60 Millionen zu erben, flog Erste Klasse, veranstaltete Soireen in den besten Restaurants, lebte in edlen Hotelsuiten und zahlte dabei kaum eine Rechnung.

Vor ihrer Inhaftierung erzählte Sorokin Freunden und Geschäftsleuten, sie wolle eine Art Kunst-Club aufbauen, mit Niederlassungen in den großen Metropolen. Dafür wolle sie in New York ein Gebäude mieten und dort moderne Künstler und Kunstfreunde zusammenbringen.

In Interviews sagt sie jetzt, sie habe niemandem schaden wollen, habe gedacht, dass ihre Rechnung aufgehe und sie alle offenen Beträge am Ende begleichen könne. Sorokin sieht sich als eigene Marke – auch zukünftig. Dem „Insider“ sagte sie, dass sie den Namen Delvey nach wie vor benutze und darin auch kein Problem sehe: „Warum sollte ich nicht? Ich bin meine eigene Bewegung.“ Über eine mögliche Abschiebung nach Deutschland wollte die Betrügerin nach Angaben des „Insider“ nicht reden.

Über die Geschichte Sorokins soll demnächst auch eine Netflix-Serie mit Julia Garner in der Hauptrolle erscheinen. Den Fall umgibt die typische Häme gegen die gutgläubigen, oft superreichen Opfer. Wie ein weiblicher Robin Hood für das Instagram-Zeitalter soll Sorokin nur von den Reichen und Schönen der New Yorker High Society genommen haben.

Das sagen ehemalige Schulfreunde

Die Familie von Anna Sorokin war 2007 von Russland nach Eschweiler gezogen. Obwohl die Familie in eher bescheidenen Verhältnissen lebte, galt sie nach außen hin dennoch als überdurchschnittlich gut betucht. Das zumindest gaben zwei ehemalige Mitschüler an, als unsere Zeitung sie schon vor Prozessbeginn nach ihren Erinnerungen fragte. An mehrere Millionen wollten aber beide schon damals nicht so recht glauben.

In der Schule sei Sorokin nicht besonders motiviert gewesen. „Auffällig ruhig. Gegenüber Lehrern und auch gegenüber ihren Mitschülern“, erinnerte sich ein Klassenkamerad, der sie aber nicht besonders gut gekannt haben will.

„Ich habe sie immer sehr für ihre Intelligenz bewundert“, sagte eine andere ehemalige Klassenkameradin damals, die bis vor wenigen Jahren noch regelmäßig Kontakt zu ihr hatte. Anna Sorokin soll sprachbegabt gewesen sein und trotz russischer Wurzeln gut Deutsch gesprochen haben. Sie habe oft von der großen weiten Welt geschwärmt, erinnerte sich die Schulfreundin. „Es war klar, dass sie nicht in der Region Aachen bleiben, sondern in den großen Metropolen leben würde.“

Auch sei Sorokin immer offen und ehrlich gewesen. „Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie der Mensch, an den ich mich erinnere, mit der Frau zusammenpassen soll, die jetzt in den amerikanischen Medien beschrieben wird“, sagte die ehemalige Schulfreundin. Vielleicht habe Anna die Realität aus den Augen verloren; bei ihrem Praktikum in Paris soll sie Models und Shootings für Fashion-Weeks in der ganzen Welt organisiert haben. Zumindest habe Anna das erzählt. „Wenn man immer mit reichen und berühmten Menschen Zeit verbringt, verliert man vielleicht den Bezug zum Geld, den Boden unter den Füßen.“

Auch ihren Prozess machte Sorokin mit einer extravaganten Kleiderwahl zu einer Show. Über Wochen diskutierten Medien über die stets eleganten Outfits, die die junge Frau aus Eschweiler in Kombination mit Handschellen trug. Am letzten Verhandlungstag wählte sie ein kurzes Kleid – laut „New York Times“ in „jungfräulichem Weiß“. Am Tag der Verurteilung Ende April fand ihr schwarzes Minikleid Beachtung.

(cv/red/dpa)