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Hauptzollamt Aachen: Wo Päckchen auspacken kein Spaß ist

Hauptzollamt Aachen : Wo Päckchen auspacken kein Spaß ist

Zugelassenes Medikament? Sicherer Elektromotor? Das Hauptzollamt Aachen prüft jeden Tag Sendungen aus Drittstaaten. Einige Pakete können nicht an die Empfänger ausgehändigt werden. Woran liegt das?

Ein Paket voller Energiepulver, Körperpflegemittel und anderer Substanzen aus Kasachstan, eine Spielekonsole im 80er-Jahre-Design und ein Motor für einen Rollladen aus China – bei Jürgen Scholl, Abfertigungsbeamter beim Hauptzollamt Aachen, landen jeden Tag Pakete wie diese auf den Schreibtisch in der Außenstelle in der Aachener Charlottenburger Allee.

Er prüft dann: Könnte es sich im ersten Karton um Medikamente handeln, die in Deutschland nicht zugelassen sind? Ist die Spielekonsole, vermeintlich von einem Markenhersteller, tatsächlich aber eine Markenrechtsverletzung? Entspricht der Rollladenmotor den deutschen und europäischen Sicherheitsnormen? 9996 Pakete, versendet aus Drittstaaten in den Zuständigkeitsbereich des Aachener Zolls, haben Scholl und seine fünf Kollegen und Kolleginnen 2019 geprüft. 355 wurden letztlich dem Empfänger nicht ausgehändigt, weil ihr Inhalt in Deutschland nicht zugelassen war.

Schwierige Materie

Zoll ist eine schwierige Materie, das wird nicht zuletzt bei der Betrachtung der Paketinhalte deutlich. Scholl und die anderen fünf Mitarbeiter der Postabfertigung im Zollamt müssen den Inhalt begutachten, die Expertise von Fachleuten, zum Beispiel dem Amtsapotheker oder bei der Bundesnetzagentur, einholen und letztlich entscheiden, ob sie das Paket herausgeben, zum Absender zurückschicken können oder es vernichten müssen.

Ist eine Herausgabe möglich, stellt sich noch die Frage nach der Höhe der Abgaben, die der Empfänger entrichten muss. Da gibt es den Zollsatz, der je nach Ware unterschiedlich ausfällt, die Einfuhrumsatzsteuer, die der inländischen Mehrwertsteuer entspricht und Verbrauchssteuern zum Beispiel auf Tabak, Alkohol und Kaffee. In manchen Fällen kommt auch die Anti-Dumping-Steuer zum Tragen, mit der die EU die europäischen Hersteller schützen will und die meistens auf Waren aus China erhoben wird. „So kann ein Schnäppchen schon mal sehr viel teurer werden, als es das günstige Internetangebot verspricht“, sagte Volker Müller, stellvertretender Dienststellenleiter des Hauptzollamtes Aachen.

Illegale Einfuhr: Schlangen, Krokodillederstifel oder Elfenbein sind verboten, weil sie unter das Artenschutzgesetz fallen.
Illegale Einfuhr: Schlangen, Krokodillederstifel oder Elfenbein sind verboten, weil sie unter das Artenschutzgesetz fallen. Foto: Andreas Steindl

Gerade in diesem Bereich gibt es eine Vielzahl von EU-Verordnungen, die kaum zu überschauen sind. „Da hilft uns zum Glück der Computer. Und auch wir nutzen die App ‚Zoll und Post‘, die in erster Linie Verbrauchern Hinweise auf die Höhe der zu erwartenden Abgaben geben soll“, so Scholl. Das Privatgeschäft ist auch bei knapp 10.000 Paketen im Jahr eher ein Nischengeschäft des Zolls. „In erster Linie sind wir für die Industrie da“, betonte Müller. In der Tat macht dieser Bereich einen deutlich größeren Umfang der Zolltätigkeiten aus: Allein am Standort in der Charlottenburger Allee wurden 2019 gut 112.000 Exportvorgänge bearbeitet, außerdem gut 13.000 Importe, die nicht dem privaten Bereich zuzuordnen sind.

Zudem kommt aus dem privaten Konsum nur ein Bruchteil der für den Zoll interessanten Waren überhaupt im Zollamt an. Das liegt an einem Strategiewechsel: Seit diesem Jahr sind die Postverteilzentren, meistens an großen Flughäfen gelegen, berechtigt, die Zollabfertigung in unkritischen Fällen zu übernehmen. Dann geht das Paket direkt an den Empfänger, Einfuhrabgaben werden an der Haustür vom Paketboten als „Nachnahme“ eingeholt. Erst wenn die Post Zweifel über den Inhalt hegt oder mehr als 1000 Euro Warenwert festgestellt wurden, kommt die Zollbehörde ins Spiel.

Möglicherweise steigt die Anzahl der zu begutachtenden Pakete aber im kommenden Jahr, denn ab 1. Juli entfällt die pauschale Zollfreiheit für Waren im Wert bis 22 Euro. Denn was als Bürokratieabbau gedacht war, entpuppte sich als gern genutzte Möglichkeit zum Betrug: „Der EU entgehen durch Falschdeklarierung im Moment jedes Jahr fünf Milliarden Euro“, berichtete Müller. „Allerdings bedeutet der Wegfall der Regelung: 100 Millionen zusätzliche Zollanmeldungen nur bei der Post AG, andere Paketdienstleister kommen noch dazu.“

Das ist Zukunftsmusik. Gerade ist die Pandemie Thema: Um das Besucheraufkommen in den Postabfertigungsstellen der Zollämter gering zu halten, besteht die Möglichkeit, alles von zu Hause aus zu regeln. Dann nimmt der Empfänger nach schriftlicher Benachrichtigung Kontakt mit dem zuständigen Zollamt auf und erlaubt dem Abfertigungsbeamten das Öffnen seines Pakets ohne sein Beisein. Der entscheidet dann, ob die Zustellung möglich ist, legt die Höhe der Abgaben fest und rechnet auch noch das zusätzlich anfallende Porto aus. Hat der Empfänger alles bezahlt, schicken die Zollbeamten das Paket wieder auf Reisen. „Eigentlich sind wir nicht dafür da, Pakete zu packen und zu frankieren, aber das leisten wir jetzt als Service“, erklärte Müller. Ab 1000 Euro Warenwert muss man allerdings immer persönlich vorstellig werden oder eine Spedition bemühen. Coronabedingt braucht man außerdem im Moment einen Termin zur Abholung.

Einfacher im EU-Binnenmarkt

Will man das alles nicht, muss man sich beim Online-Shopping auf Waren aus der EU beschränken. Die sind im EU-Binnenmarkt grundsätzlich zollfrei. Internethandel mit Tabakwaren ist allerdings grundsätzlich verboten.

Weitere Informationen unter www.zoll.de