Organisierte Netzwerke : Wie die Städte gegen die Bettel-Banden vorgehen
Düsseldorf/Aachen Hinter aggressiven Bettler-Kolonnen aus Osteuropa auf Weihnachtsmärkten sollen laut Polizei kriminelle Strukturen stecken. Nicht selten seien es kriminelle Clans aus Städten wie Bukarest und Sofia, die von dort aus die „Bettelkolonnen“ steuern.
Sie sollen meist dann kommen, wenn die Straßen noch leer sind. Wenn es morgens noch dunkel ist, bevor der Berufsverkehr einsetzt und niemand etwas mitbekommt. Meist werden sie in Kleintransportern gebracht. An zentralen Innenstadtlagen werden sie abgesetzt – häufig in Seitenstraßen an Hauptbahnhöfen.
Von dort aus sollen sie losziehen zu den Standorten, die ihnen zugeteilt wurden. „Die organisierten Bettel-Kolonnen aus Osteuropa findet man gerade jetzt zur Weihnachtszeit in fast jeder Großstadt“, sagt Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW.
„Es werden von den Hintermännern bewusst Menschen mit Behinderungen zum Betteln auf die Straße geschickt, um noch mehr Mitleid zu erregen“, sagt Rettinghaus. Nicht selten sollen kriminelle Clans dahinter stecken, die in den osteuropäischen Hauptstädten wie Bukarest und Sofia sitzen und von dort aus die „Bettelkolonnen“ steuern. „Das sind zum Teil kriminelle Strukturen“, sagt Rettinghaus.
Besonders betroffen von der „Bettel-Mafia“ sind die großen Städte im Ruhrgebiet und Rheinland. Auch in Aachen hat die Stadt die organisierte Bettelstruktur registriert: „Seit Beginn des Weihnachtsmarktes haben wir festgestellt, dass ganze Kolonnen von Bettlern nach Aachen kommen und als Gruppen an verschiedenen Orten der Stadt in der Nähe von Weihnachtsmarktbuden losgeschickt werden“, sagt Rita Klösges, Sprecherin der Stadt.
Reagiert hat die Stadt mit einer Verstärkung des Innenstadtüberwachungsdienstes zu den besucherstarken Zeiten. Betteln an sich ist in Aachen nicht verboten. „Dazu bräuchte es eine Satzungsänderung“, sagt Klösges. Jedoch sei aggressives Betteln verboten, darunter fällt zum Beispiel das aktive Ansprechen von Passanten. Bei Verstößen schreite der Sicherheitsdienst derzeit sofort ein, versichert Klösges.
In Essen gilt bereits ein grundsätzliches Bettelverbot auf dem Weihnachtsmarkt, der fast die gesamte Innenstadt umfasst. „Darüber hinaus ist aggressives Betteln im Stadtgebiet verboten“, sagt ein Sprecher der Stadt Essen. Gemeinsame Streifen von Ordnungsamt und Polizei würden Verstöße konsequent ahnden.
Auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt gibt es entsprechende Plakatwarnungen an den Hütten, und Markthändler werden angehalten, Augen und Ohren offen zu halten. Besondere Zonen, in denen Betteln nicht erlaubt ist, existieren in Bochum jedoch nicht. „Ergeben sich Anzeichen für kriminelle Strukturen, werden die eingesetzten Beamten tätig“, sagt ein Sprecher der Stadt. In Leverkusen ist in den Fußgängerbereichen aufdringliches Verhalten wie Anbetteln und Anpöbeln von Passanten oder mutwilliges Versperren der Wege- und Straßenflächen untersagt.
In Düsseldorf wird auf dem Weihnachtsmarkt dagegen nur gegen die aggressive Form des Bettelns vorgegangen. „Gerade in der Weihnachtszeit bietet es sich für wirtschaftlich benachteiligte Menschen im Umfeld der Weihnachtsmärkte an, um Gnade oder Barmherzigkeit zu bitten und zu betteln. Dies muss man akzeptieren und ist ganz einfach Teil der Realität und des Stadtlebens“, sagt eine Sprecher der Stadt Düsseldorf.
Die Polizei weist daraufhin, dass man zwischen bettelnden Obdachlosen (meist Einzelpersonen) und den Angehörigen der Bettelkolonnen klar unterscheiden müsse. „Man darf nicht pauschalisieren. Wir als Polizei haben nichts gegen das Betteln. Uns geht es nur um die organisierte aggressive Form des Bettelns“, sagt Rettinghaus. Bei den Mitgliedern der Kolonnen, die auf die Straße müssten, handele es sich um die Ärmsten der Armen. Von dem Geld, was sie von den Passanten bekommen, bliebe ihnen nur ein Bruchteil – wenn überhaupt. „Eigentlich bleibt ihnen so gut wie nichts. Sie müssen fast alles abliefern“, sagt Rettinghaus.
Eine Kolonne könne aus bis zu zehn Bettlern bestehen. Diese würden von einem „Aufseher“, der sich im Hintergrund hält, beobachtet. „Dieser guckt, ob Ordnungsamt oder Polizei in der Nähe sind und warnt seine Kollegen. Zudem sammelt er stündlich die Einnahmen ein.“
Für die Polizei sei es extrem schwer, diese Strukturen zu zerschlagen und nachzuweisen. „Die reden nicht und verpfeifen niemanden. So gibt es kaum ein Herankommen an die Hintermänner“, sagt Rettinghaus. „Wenn wir einen mit zur Wache nehmen, wird er sofort durch einen anderen ersetzt. Die sind gut organisiert.“ Als Rückzugsort und zur Übernachtung dienten den Mitgliedern der „Bettel-Mafia“ sogenannte Schrottimmobilien in den Ruhrgebietsstädten.