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Strukturwandel: Werden Fördergelder zweckentfremdet?

Strukturwandel : Werden Fördergelder zweckentfremdet?

Dass Personalkosten von Bundesbehörden und die Westspange Köln mit Mitteln aus dem Strukturstärkungsgesetz finanziert werden sollen, stößt bei Sozialdemokraten im Rheinischen Revier auf harsche Kritik.

Die Wortwahl der SPD-Abgeordneten in der Region klingt deutlich. Von „Skandal“ ist die Rede, von „Verschiebebahnhöfen“ und „Mogelpackung“. Gemeint sind Vorgänge im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes, die in den Augen von Sozialdemokraten im Rheinischen Revier nicht den eigentlichen Zweck erfüllen: neue Arbeitsplätze zu schaffen. Auch die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR), die den Strukturwandel koordinieren soll, erhält ein schlechtes Zwischenzeugnis.

Im Kern der Kritik der SPD-Bundestagsabgeordneten Claudia Moll und Dietmar Nietan sowie des Landtagsabgeordneten Stefan Kämmerling stehen zwei große Kostenpunkte im Wirtschaftsprogramm, die in ihren Augen nicht mit Mitteln für den Strukturwandel bezahlt werden dürften. Eines davon: die Westspange am Bahnknoten Köln für bis zu 3,4 Milliarden Euro. Dieses Geld lasse sich über den Bedarfsplan für Bundesschienenwege im Bundesverkehrsministerium finanzieren, meinen die Sozialdemokraten. In ihren Augen steht damit etwa die geplante Verbindung von Linnich über Jülich bis nach Aachen auf der Kippe.

Dass Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen im Revier angesiedelt werden und dafür eine Anschubfinanzierung erhalten, begrüßen die Sozialdemokraten. Sie kritisieren jedoch, dass die Personalkosten ebenfalls aus dem Strukturfördertopf getragen werden sollen. Dietmar Nietan spricht von einem Milliardenbetrag, der eigentlich aus den Fachressorts des Landes und Bundes zu tragen sei.

Moll und Nietan haben sich im Dezember an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Bundesfinanzminister OIaf Scholz (SPD) gewandt. Zur Finanzierung von Westspange und Personalkosten schreiben sie in ihrem Brief: „Wenn sich das Land darauf einlässt, einen solchen Verschiebebahnhof mitzutragen, verhält es sich gegenüber den vom Strukturwandel betroffenen Menschen im Rheinischen Revier in höchstem Maß unsolidarisch.“

In der Antwort auf das Schreiben der beiden Bundestagsabgeordneten, das unserer Redaktion vorliegt, verweist Laschet auf noch anstehende Beratungen zwischen Land und Bund. „Die Landesregierung vertritt die Position, dass lediglich die Kosten der Einrichtung oder Erweiterung der Behörden in den Revieren, nicht aber laufende Personal- und Sachausgaben angerechnet werden können“, teilt der Ministerpräsident mit. Auch bei der Westspange sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Die Maßnahme gilt als konstitutive Voraussetzung dafür, dass das Angebot des Nahverkehrs im Rheinischen Revier auf ein neues Qualitätsniveau gehoben werden kann“, schreibt Laschet. Man werde vor der endgültigen Entscheidung Kosten und Nutzen für den Strukturwandel abwägen.

14,8 Milliarden Euro sollen in 20 Jahren in das Rheinische Revier fließen. Die Projekte werden in der Zukunftsagentur (ZRR) gebündelt. Von dort, so meint Kämmerling, erhalte der Landtag keine umfassenden Informationen, was mit dem Geld geschieht. „Das ist keine parlamentarische Beteiligung, sondern Exklusivwissen für wenige“, sagt er.

Das klassische Budgetrecht des Landtages spiele bei der Vergabe der 14,8 Milliarden Euro keine Rolle, was für Kämmerling auch verfassungsrechtlich bedenklich sei. Die ZRR sei eine schöne Show, es werde viel Geld in Veranstaltungen und Prospekte gesteckt, die Entscheidungen fielen jedoch im stillen Kämmerlein. Er fordert eine stärkere parlamentarische Kontrolle. Ohnehin soll schon der überwiegende Teil der 14,8 Milliarden Euro verplant sein. Kolportiert wird eine Zahl von 82 Prozent der Gesamtsumme.

Wichtig sei, dass man nicht nur in Forschung investiere, sondern auch die daran anschließenden Wertschöpfungsketten im Revier halte. „Wir benötigen nicht nur Arbeitsplätze für obere Bildungsstände“, sagt Moll. Bisher, so der Vorwurf der Sozialdemokraten, sei noch kein Projekt oder Unternehmen erkennbar, dass die in den Tagebauen und Kraftwerken wegfallenden Arbeitsplätze ersetzt.