1. Region

Karlspreis: Weiblicher, bunter und noch 2021

Karlspreis : Weiblicher, bunter und noch 2021

Wie sich Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen die nähere und ferne Zukunft des Karlspreises vorstellt. Der Vorsitzende Jürgen Linden orientiert sich an der Münchener Sicherheitskonferenz.

Sie legt Wert auf den Anspruch ihrer Stadt, Europa mitzugestalten. „Das ist wichtiger denn je“, sagt Aachens neue Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen. „Der Karlspreis ist die große Initiative unserer Stadt für Europa“, sagt Keupen im Gespräch mit unserer Zeitung, ob es um Impfstoff gehe oder darum, autokratischen Systemen in Osteuropa Paroli zu bieten. „Wir sind in Aachen das Herz Europas.“

Das Virus

Die Karlspreis-Verantwortlichen in Aachen stehen kurz- und langfristig vor großen Aufgaben. Da ist zunächst die Frage nach der Preisverleihung in diesem Jahr. Traditionell würde sie am Himmelfahrtstag, 13. Mai, im Krönungssaal des Rathauses über die Bühne gehen. Ob Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis, der schon im vorigen Jahr ausgezeichnet werden sollte, dann tatsächlich nach Aachen kommt, steht in den Sternen – erst recht, in welcher Form der Festakt unter Corona-Bedingungen stattfinden muss oder kann.

Keupen ist überzeugt: „Wir werden ein würdiges Format finden – und zwar in diesem Jahr.“ Auch Jürgen Linden, Vorsitzender des Karlspreisdirektoriums legt sich fest: „Es wird 2021 auf jeden Fall eine Preisverleihung geben.“ Ob im Rathaus oder auf dem Katschhof, ob mit viel oder wenig Abstand, ob mit großem oder kleinem Publikum, ob analog oder digital, ob tatsächlich im Mai oder zu einem späteren Zeitpunkt im Herbst – all das ist offen. Ob der favorisierte Himmelfahrtstermin zu halten ist, müsste wegen der notwendigen Vorbereitungen – auch für das gesamte Rahmenprogramm – noch im Februar entschieden werden. „Und wir müssen auch Rücksicht nehmen auf den Preisträger, der sich nicht hier in Aachen feiern lassen kann, wenn sein Volk noch unter Corona-Beschränkungen leiden sollte“, sagt Linden unserer Zeitung.

Langfristiger angelegt ist die Idee, die im Karlspreisdirektorium derzeit erwogen wird: Aus dem politischen Forum mit Politikern, Wissenschaftlern und Medienvertretern, das seit Jahren am Vortag der Preisverleihung im Rathaus stattfindet, könnte sich eine größere Dialog-Plattform für europäische Politik entwickeln. „Ähnlich der Münchener Sicherheitskonferenz könnte der Karlspreis eine europäische Strategiekonferenz werden“, sagt Linden. Er will Kontrahenten zusammenbringen und diskutieren lassen. Die Frage, ob diese Idee sehr hoch oder zu hoch gegriffen ist, ist Linden egal; er betrachtet den hohen Anspruch als Ansporn und möchte die Idee in den nächsten fünf Jahren voranbringen.

Das Vorbild

Auch Keupen hält dieses Ziel für angemessen. Der Karlspreis sei auf Dialog angelegt. „Das ist sehr ambitioniert, kann aber dazu beitragen, den Preis zu profilieren. Es geht uns nicht nur um das Event an einem besonderen Tag, sondern um die Idee, die wir in vielfältigen Formaten voranbringen müssen. Das ist nicht hoch gegriffen, sondern entspricht unserer Verantwortung.“

„Ähnlich der Münchener Sicherheitskonferenz“ würde eine Aachener Strategiekonferenz erhebliche finanzielle Mittel von staatlichen Stellen (Bund und Land) sowie privaten Sponsoren benötigen. Linden ist da nicht pessimistisch und setzt zudem auf Zusammenarbeit mit den Aachener Hochschulen, auf den „Vorteil der kurzen Wege“, auf den Eurogress und das Nobelhotel Quellenhof.

Mit besonderem Stolz hat das Karlspreisdirektorium verkündet, dass durch Zuwahl der Karlspreisgesellschaft und des Aachener Stadtrats nunmehr sieben seiner 17 Mitglieder Frauen sind. Die Ratsfraktionen haben neben den bisherigen Direktoriumsmitgliedern Hermann Josef Pilgram (Grüne) und Georg Helg (FDP) neu benannt Margrethe Schmeer (CDU) und Fabia Kehren (SPD) sowie Dina Bharucha (UWG). Im Gegensatz zu den vier Erstgenannten wurde Bharucha vom Karlspreisdirektorium aber noch nicht berufen , obwohl die Ratsfraktion Zukunft, die sie nominiert hat, über mehr Sitze im Rat verfügt als die FDP.

Laut Satzung des Direktoriums entsendet der Stadtrat vier Mitglieder. Diese Bestimmung muss also und soll geändert werden, um dem Ratsbeschluss Genüge zu tun. Dass man Helg Bharucha vorgezogen hat, findet Linden nicht ungewöhnlich. „Die vier kennen wir. Und wir haben beschlossen, Frau Bharucha kennenzulernen.“ Das Karlspreisdirektorium behalte sich „eine eigene Meinung“ vor. Es komme darauf an, „ob die Personen, die benannt worden sind, die Ideen des Karlspreises unterstützen und im Sinne des Europabildes, das wir haben, tätig sind“. Eine Ablehnung Bharuchas ist unwahrscheinlich; der Stadtrat würde das auch nicht akzeptieren. Keupen besteht darauf, dass „im Direktorium die politische Bandbreite im Stadtrat abgebildet wird“. Sie sei froh, dass die Fraktion Zukunft Verantwortung übernehmen wolle und Interesse am Karlspreis habe. „Das ist ein starkes Angebot, mitzumachen. Die junge Generation muss den Staffelstab übernehmen.“

Die Jugend

Für Schmeer signalisiert die neue Zusammensetzung des Direktoriums Aufbruchstimmung. „Frauen als Preisträger waren bislang Mangelware. Man sollte sich mal um würdige Preisträgerinnen kümmern.“ Kehren hingegen sagt: „Die entscheidende Frage bei der Auswahl ist und bleibt: Was ist der Beitrag eines Preisträgers für die europäische Integration?“

Keupen wiederum setzt darauf, dass sich die höhere Zahl von Frauen in dem Gremium „auf die Auswahl der Preisträgerinnen auswirken wird. Der Karlspreis ist sehr männerlastig“, sagt die Oberbürgermeisterin. „Von 61 Preisträgern sind sechs Frauen. Das entspricht zwar der Quote der Oberbürgermeisterinnen in Deutschland, aber der Karlspreis muss sich der veränderten Gesellschaft stärker öffnen. Nur dann ist er ein Bürgerpreis.“

Kehren will den Karlspreis „für die Öcher sexy machen“. Einig ist sie sich mit Schmeer darin, dass man den Karlspreis noch viel intensiver als bisher der Jugend vermitteln müsse. Bei der Karlspreisverleihung könnten die Preisträger des Jugendkarlspreises „ja auch mal etwas sagen“, meint Schmeer. „Die sitzen bisher nur dabei als stumme Zeugen.“ Keupen plädiert für mehr Vielfalt beim Karlspreisfest: „Nicht nur Protokoll, sondern Begeisterung in der Bürgerschaft für die Idee Europas.“