Große Kölner Hafenrundfahrt : Vorbei an verwunschenen Orten, den Dom und die Kräne im Blick
Köln Strahlender Sonnenschein verheißt Sommerwetter mitten im Frühling. Vor dem Kartenhäuschen am Anleger 10, auf Höhe des Musical Domes, links von der Hohenzollernbrücke, hat sich eine lange Schlange gebildet.
Die Plätze unten, im Salon hinter den Panoramascheiben, finden heute kein bisschen Beachtung. Alle wollen nach oben, aufs Freideck. Noch ehe es „Leinen los“ heißt, sind die Ersten mit Kaffee und Kuchen versorgt. Auch das hiesige Brauereierzeugnis findet Abnehmer, dabei heißt es doch eigentlich „Kein Bier vor Vier“. Aber die kommenden drei Stunden sind so etwas wie Urlaub, mitten am Tag, mitten in der Stadt. Über die man dabei, sogar als Kölnerin, noch etwas lernen kann. Weil sie an Orte führt, die sonst eher ein Schattendasein führen: die Kölner Häfen.
Immer um 14 Uhr, von Dienstag bis Freitag, geht es ab Anleger 10 auf „Große Kölner Hafentour“. Je nach Verfügbarkeit finden die Fahrten auf der MS RheinCargo, der MS Rheinland oder der MS Rheinperle statt. Die 2001 erbaute MS RheinCargo ist das größte und modernste Schiff der kleinen Flotte, hier finden bis zu 250 Personen Platz.
Während der Fahrtwind Strähnen aus Hocksteckfrisuren löst, Pullover um Schultern geknotet werden und sich die Paare auf den Bänken aneinander kuscheln, geht es rheinaufwärts vorbei an der Altstadt, am Fischmarkt und am Stapelhaus. Seit dem Mittelalter spielte sich der Güterumschlag hier direkt am Flussufer ab. Bis es Anfang des 19. Jahrhunderts hieß: „Wir brauchen einen Hafen in der Stadt“.
Zweitgrößter Binnenhafen
Der 1813 zwischen Ebertplatz und Bastei eröffnete Napoleonhafen ist heute Geschichte, versandet und zugeschüttet. An den Rheinauhafen, am 14. Mai 1898 feierlich eingeweiht, erinnert heute noch das Alte Hafenbauamt. Aber da, wo einst fast 5000 beladene Schiffe pro Jahr anlegten, recken heute die Kranhäuser ihre blinkenden Hälse nach vorne, als Wahrzeichen einer modernen Wohn-, Kultur- und Bürolandschaft. Nur der Yachthafen, der noch in Betrieb ist, gemahnt an die alte Funktion sowie die Kräne am Südkai, die unter Denkmalschutz stehen und für die es bis zu 14 Männer brauchte, um sie per Kurbel in Bewegung zu setzen.
Ähnliches steht einem Teil des Deutzer Hafens auf der anderen Uferseite bevor: Hier ist ein neues Wohn-, Gewerbe- und Dienstleistungszentrum in Planung. Langsam entschwindet das Sonnenstern-Logo auf der Ellmühle den Blicken. Am Himmel ziehen Federwölkchen vorüber, hauchzarte weiße Gebilde, wie von Hand ins Blau hinein aquarelliert. Das Wasser des Stroms glitzert.
Heute ist Köln, nach Duisburg, der größte deutsche Binnenhafenstandort. Noch als Güterumschlagplätze in Betrieb sind derzeit vier Häfen. Der in Mülheim, der nächsten Station der Hafentour, gehört nicht dazu. Hinter einer Brücke, die ihrer Form den Namen Katzenbuckel verdankt, taucht eine Insel auf. Sie teilt das Areal in zwei Becken. Hier haben die Bautaucher ihr Domizil, und hier werden Schiffe überholt.
Aber jetzt, freitags kurz vor 15 Uhr, liegt über dem linken Hafenarm eine idyllische Stille. Üppig bepflanzte Hausboote und die Ruine der alten stillgelegten Gießerei prägen diesen verwunschenen Ort. An den Wänden der Kaimauern wirken die überwucherten Graffiti wie verblasste Stickereien auf brüchigem Brokat. Auf Gleisen, die nirgendwo mehr hinführen, weil sie niemand mehr braucht, recken Bäume ihre grünen Häupter empor.
Ganz anders dagegen Niehl I. Nicht umsonst das Highlight der Tour. Und mit einer Gesamtfläche von rund 1,3 Millionen Quadratmetern auch der größte der Kölner Häfen. An der zentralen Logistikdrehscheibe im Norden der Stadt herrschen Hightech und Getriebe, hier werden Waren direkt aufs Gleis gesetzt oder auf den Lastwagen umgeladen.
Viel Verkehr
Dicht an dicht ragen die aufeinandergestapelten Container auf. Sie könnten das Spielzeug von Riesenkindern sein, bunte, innen hohle Bauklötze aus Metall, in denen Getreide, Zucker, Teile von Motoren, Kunststoffgranulat und vieles mehr transportiert wird. Was diesem Hafen den Spitznamen „Tante Emma Laden“ eingebracht hat. Hautnah kann man den computergesteuerten Portalkränen beim Greifen zusehen. Mitunter ist hier so viel los, dass es Stau im Hafenbecken gibt. Wodurch die Hafenrundfahrt auch mal länger dauern kann.
In einem Teilbereich werden Schiffe gewartet, insbesondere die von der KD. Und auch solche, die so blumige Namen wie „Emerald Sun“ oder „Travelmarvel Sapphire“ tragen und von der nächsten Kreuzfahrt träumen. Und weiter geht es vorbei an den Silos der Schüttgut-Firma Schmidt Heilbronn, die die Anmutung von gigantischen Zigarrenhülsen haben. Wenn sie, so wie gerade, befüllt werden, klingt das wie ein hundertfach verstärktes Rieseln und Sirren. In die Einfahrt der Fordwerke im Hafen Niehl II muss ein Blick genügen, hier ist die Zufahrt verboten. Zu schade, denn sonst könnte man sehen, wie die kleinen Fiestas im „Roll on – Roll off“-Verfahren direkt vom Fließband ins Schiff rollen.
Genügend Stoff zum Nachdenken für die Rückfahrt hat man auch so. Oder man genießt einfach nur den Blick auf die Binnenschiffe, die träge vorbeiziehen, auf die Niehler Aue und die Bäume am Ufer, die bis zu den Achseln ihrer Ast-Arme im Wasser stehen. Kurz vor 17 Uhr ist die Fahrt dann zu Ende. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass man nur einmal dabei sein darf.