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45 Jahre Euriade: Von der Kraft des Gesprächs

45 Jahre Euriade : Von der Kraft des Gesprächs

Vo 45 Jahren hat Werner Janssen die Euriade ins Leben gerufen. Jugendliche aus aller Welt nutzen das vielschichtige Angebot. In Kerkrade ist sogar eine Schule „Het Martin Buber“ geplant.

Der Gedanke klingt schlicht: einander zuhören, miteinander reden. Inzwischen ist daraus ein internationales Programm für junge Leute geworden, das als Euriade seit 45 Jahren besteht. Begründer Werner Janssen bleibt nachdenklich. Sein Lebenswerk? „Auch jetzt gilt für mich die Weiterentwicklung, der Blick auf Neues“ sagt er, der als Pädagoge, Philosoph, Politologe und Visionär 1977 die Energie aufbrachte, mit einer Initiative für Schülerinnen und Schüler in den Niederlanden und Deutschland die Wurzeln eines respektvollen Zusammenlebens zu stärken.

Janssen, 1944 in Mönchengladbach als Sohn einer deutschen Mutter und eines niederländischen Vaters geboren, hat persönlich erlebt, wie schmerzlich die „Grenzen im Denken“ sein können. In Deutschland und den Niederlanden musste er Spott und Ausgrenzung erfahren. Damals bereits entwickelte er den Willen, etwas für den Dialog zu tun, Vorurteile abzubauen. Es blieb nicht bei den deutsch-niederländischen Begegnungen. Mit der Euriade („Internationales Kultur- und Wissenschaftsfestival“) war mit dem Schwerpunkt „Jugend im Dialog“ die Idee geboren, die sich als Plattform für ein besseres Miteinander weitete. „Sie schaffen Räume, die es den Menschen unterschiedlicher Herkunft über die Grenzen hinweg möglich machen, aufeinander zuzugehen“, betont die Aachener Schirmherrin von „Jugend im Dialog“ und Europa-Parlamentarierin Sabine Verheyen in ihrem Gruß zum Jubiläum. Die Arbeit der Euriade sei für Europa unschätzbar. „Kämpfen Sie weiter für Frieden und Dialog“, bringt es die Politikerin auf den Punkt.

Inzwischen kommen jährlich jeweils vier Schülerinnen oder Schüler aus 16 Nationen zur Euriade in der Abtei Rolduc (Kerkrade) zusammen, um einander kennenzulernen und sich unter fachkundiger Begleitung auszutauschen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist für die Organisatoren eine Herausforderung, doch Janssen bleibt ruhig: „Wir hätten gern russische Jugendliche dabei, aber sie dürfen nicht ausreisen“, sagt er. Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Ukraine wurde verdoppelt. Im kommenden Jahr erwartet man sogar Gäste aus Südosteuropa, unter anderem aus Albanien, der Herzegowina und Nordmazedonien.

Begegnungen mit den Trägern der Martin-Buber-Plakette, die seit 2002 für Menschlichkeit und Respekt vor der Schöpfung vergeben wird, gehören zu den wichtigsten Erlebnissen der Jugendlichen. Erster Träger war der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, später kamen Persönlichkeiten wie der Schauspieler Karlheinz Böhm („Menschen für Menschen“), Musiker Hermann van Veen („Stiftung für die Rechte des Kindes“) sowie 2008 Michail Gorbatschow und 2014 Königin Silvia von Schweden hinzu. 2020 wurde Auma Obama ausgezeichnet, die die Plakette wegen der Corona-Pandemie erst vor kurzem mit Verspätung entgegennahm.

Das Miteinander ist für die jungen Menschen entscheidend, wenn sie in Kerkrade zusammenkommen: „Alle wohnen, essen und wandern miteinander“, betont Janssen, der sich auf große Lebenserfahrung stützen kann. Martin Buber? Janssen hat an den Universitäten Nijmegen, Heidelberg, Amsterdam und an der RWTH Aachen zahlreiche Fächer studiert und mehrfach promoviert – die Beschäftigung mit dem israelisch-österreichisch-jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber (1878-1965) prägte ihn von Anfang an. Das von Buber benannte „dialogische Prinzip“, die von gegenseitiger Anerkennung bestimmte Beziehung der Menschen untereinander (Buber: „Vom Ich zum Du.“), überzeugte ihn, und er holte den gesellschaftlich bedeutsamen Gehalt in die gelebte Gegenwart – seit 45 Jahren.

Die Euriade wuchs. Zwölf Jahre lang gab es das Musikfestival Amadèo, mit dem „Prix Amadèo de Piano“. In diesem Jahr heißt ein Musikprogramm „Amadèo zu Besuch auf der Burg Rode“ in Herzogenrath mit jungen Künstlerinnen und Künstlern. Zahlreiche Bücher konnten im hauseigenen Verlag Erebodos erscheinen, geplant sind weitere Titel zum Thema Liebe, zur „Humanik“, dem Umgang der Menschen miteinander, und ein Werk unter dem Titel „Am Abend der Zeit“, das am 4. November erscheint.

In seinen Forschungen ist Euriade-Gründer Janssen in 45 Jahren weitergegangen. „Speaking is listening“, das Sprechen erwächst aus dem Zuhören, ist ein Gedanke, der ihn in der letzten Zeit stärker beschäftigt hat. „Bereits im Mutterleib hört das Kind“, gibt er zu bedenken. Immer wieder nutzt Janssen sein Pseudonym „Heinz Hof“, um Poesie zu schreiben, die sich häufig den Kindern zuwendet.

Für die Leitung der „Euriade“ sucht er inzwischen eine Nachfolge, möchte eher im Hintergrund mitwirken. Doch ein großes Projekt steht noch an: Die Gründung einer Schule in Kerkrade, die als Einrichtung mit dem Namen „Het Martin Buber“ Regelschule und „Schule des Gesprächs“ gleichermaßen sein soll. „Erlebe, was Du lernst“ ist Janssens aktueller Buchtitel, in dem er seinen Ansatz erläutert. Es geht um Lernen ohne Stress und um das Glücklichsein. Das Genehmigungsverfahren bei der Regierung läuft, und Janssen bleibt optimistisch: „Ich rechne mit der Eröffnung 2023.“

www.euriade.net