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Aachen: Viele Einzelhändler in der Region sind digital nicht aktiv

Aachen : Viele Einzelhändler in der Region sind digital nicht aktiv

Im Geschäft von Ruth und Klaas Wolters in Aachen steht an prominenter Stelle ein großer Touchscreen, mit dessen Hilfe sich die Kunden einfach und bequem über das Sortiment informieren können. Mehr noch: Sie können den gewünschten Artikel auch direkt bestellen und dabei entscheiden, ob er zu ihnen nach Hause geliefert wird oder ob sie ihn im Geschäft abholen wollen. Ein Onlineshop im „physischen“ Shop also.

Für Ruth und Klaas Wolters, die das traditionsreiche, weil schon 1865 im Schatten des Doms gegründete Unternehmen Weyers-Kaatzer, Fachhandel für Büro-, Schreib- und Malbedarf, führen, ist das Teil der Onlinestrategie ihres Geschäfts. Die kann sich durchaus sehen lassen.

Noch viel Luft nach oben

Dass dies nicht bei allen Einzelhändlern in der Region der Fall ist, hat man eigentlich schon immer geahnt. Eine Studie im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen belegt nun dieses Gefühl mit deshalb wenig überraschenden, aber eindrücklichen Zahlen. Die Wirtschaftsgeografin Professor Cordula Neiberger von der RWTH Aachen hat sie mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Jonas Kubon erstellt.

Die wichtigsten Kennzahlen, die sich alle auf inhabergeführte Unternehmen beziehen — nicht nur, weil die zahlenmäßig die stärkste Gruppe ausmachen: 40 Prozent haben weder eine Homepage noch einen Onlineshop und sind auch nicht in den Sozialen Netzwerken aktiv. Lediglich 7,2 Prozent verfolgen eine umfassende Onlinestrategie. Haben sie eine Homepage oder einen Onlineshop, ist davon nur gut die Hälfte für Smartphone und Tablet optimiert. Und nur 22 Prozent werben auch damit, dass sie digital aktiv sind, indem sie in ihren Schaufenstern darauf hinweisen.

Als Fazit der Studie ließe sich formulieren: Es ist noch viel Luft nach oben, vor allem bei den „traditionellen“, also inhabergeführten Einzelhändlern. Ein Onlineshop allein ist allerdings nicht die Lösung. Man muss allerlei Ressourcen investieren, kann aber auch mit überschaubarem Einsatz digital aktiv werden. Und — ganz wichtig: Die Händler müssen erkennen, dass sich das Verhalten und die Erwartungen ihrer Kunden radikal verändert haben.

Ruth und Klaas Wolters würden dieses Fazit in weiten Teilen unterschreiben. Beim Ressourceneinsatz allerdings würden sie zumindest leise widersprechen. Ihr Unternehmen ist — wie gesagt — online relativ gut unterwegs: mit gepflegter, übersichtlicher und detaillierter Homepage, Onlineshops sowohl für Privat- als auch für Geschäftskunden, Auftritten bei Facebook und Instagram. Das alles kostet Zeit und Geld.

Die Onlineshops, sagen die Eheleute, könnten sie in der Form allein nicht stemmen; sie werden ihnen von der Genossenschaft bereitgestellt — was nicht zuletzt bei den Lagerkapazitäten von großem Vorteil ist. Die Pflege der Auftritte bei Facebook und Instagram ist Sache von Ruth Wolters selbst. Einen halben Arbeitstag pro Woche investiert sie dafür, neue Produkte zu lancieren, auf Veranstaltungen hinzuweisen oder diese zu dokumentieren. Dinge, die ihr „auch Spaß machen“, wie sie sagt.

Ist das alles der Mühe wert? Auf Heller und Pfennig lässt sich das nicht nachweisen. Aber dass Onlineaktivitäten notwendig sind, bestreitet niemand mehr ernsthaft. Die trotzdem berechtigte Frage, ob sich der Aufwand rechnet, führt zu der Erkenntnis, dass sich die Händler im Klaren darüber sein müssen, wer ihre Kunden sind und was die wollen. Und was zu ihnen selbst passt. „Man muss nicht aufgeregt auf jeden Zug aufspringen“, sagt Claas Wolters.

Es gehe vielmehr darum, auf allen Kanälen sichtbar zu werden und zu bleiben — nicht zuletzt, um potenzielle Käufer ins Geschäft zu locken. Früher nannte man das schlicht „Werbung“. Ein Onlineshop, den Wolters für sein Unternehmen als „verlängerte Ladentheke“ bezeichnet, sei nicht in jedem Fall sinnvoll. Schlecht gemacht, schade er eher.

Holschuld des Unternehmers

„Onlineshops lohnen sich für stationäre Händler oft nur bei Nischenprodukten“, pflichten IHK-Hauptgeschäftsführer Michael F. Bayer und Monika Frohn, Gruppenleiterin „Handel und Verkehr“ bei der Kammer, bei. Professor Neiberger formuliert es so: „Die Zukunft des stationären Handels ist der stationäre Handel.“

Doch diese Zukunft ist eben auch digital geprägt; darauf muss sich der Handel einstellen. Sich zu informieren und entsprechend zu handeln, das sei „Holschuld von uns Unternehmern“, sagt Wolters, der auch Vorsitzender des Märkte und Aktionskreises City (MAC) in Aachen ist. Dass er sich in dieser Eigenschaft wünscht, es würden sich mehr Kollegen an dem Shopping-Portal „Einkaufen in Aachen“ beteiligen, lässt er nicht unerwähnt. Sein Appell: „Macht mit; das ist einfach und gut.“