1. Region

Nach tödlichem Autorennen: Unfallfahrer aus der U-Haft entlassen

Nach tödlichem Autorennen : Unfallfahrer aus der U-Haft entlassen

Als die Einsatzkräfte am Mittag des 3. August auf der Hahner Straße eintrafen, war keine Zeit für Trauer und Entsetzen. : In einem VW Golf saßen schwerstverletzt ein achtjähriges Mädchen, seine 32-jährige Mutter und deren 40 Jahre alter Lebensgefährte.

In dem zweiten Auto, einem 3er BMW, saß ebenfalls schwer verletzt ein 19-Jähriger, der den Unfall verursacht hatte. Die drei Erwachsenen überlebten die Kollision, das achtjähige Mädchen erlag wenig später seinen Verletzungen.

In den nächsten Tagen versuchten Polizei und Staatsanwaltschaft mit erheblichem Aufwand, den Unfallhergang zu rekonstruieren. Den damaligen Ermittlungen zufolge hatten sich zwei damals 19 Jahre alte Männer aus Alsdorf am 3. August gegen 12.45 Uhr ein verbotenes Autorennen auf der kurvenreichen Hahner Straße geliefert, die Simmerath-Lammersdorf und Roetgen-Mulartshütte verbindet.

Indiziensuche in den Sozialen Medien

Die Männer waren den Ermittlungen zufolge mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Roetgen unterwegs. Vor einer langgezogenen Linkskurve hatte der Hyundai des einen 19-Jährigen einen Opel Corsa überholt. Vor einem ihm entgegenkommenden VW Golf hatte der Hyundai-Fahrer gerade noch rechtzeitig wieder einscheren können.

Doch gleich hinter dem Hyundai hatte der zweite 19-Jährige im 3er BMW den Opel kurz vor der Linkskurve ebenfalls überholt. Er konnte dem entgegenkommenden Golf nicht mehr ausweichen, beide Autos kollidierten frontal auf der Spur des Golf-Fahrers. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Unfallstelle betrug 70 Stundenkilometer.

Nach Auswertung Sozialer Medien und der Handys der beiden 19-Jährigen und nach der vorläufigen Rekonstruktion des Unfallgeschehens erhärtete sich der Eindruck, dass die beiden Alsdorfer ein illegales Rennen gefahren waren. Die Aachener Staatsanwaltschaft beantragte für beide Männer einen Haftbefehl, den ein Richter am Amtsgericht Aachen auch erließ. Der Verdachtet lautete: gemeinschaftlicher Mord an der Achtjährigen, versuchter gemeinschaftlicher Mord an der 32-jährigen Mutter und ihrem 40 Jahre alten Lebensgefährten.

Den Tod des Mädchens in Kauf genommen?

Durch den Entschluss zu einem illegalen Rennen und den riskanten Überholvorgang vor einer Kurve hätten beide Männer den Tod des Mädchen zwar nicht beabsichtigt, aber zumindest billigend in Kauf genommen. Der Hyundai-Fahrer wurde festgenommen und ins Jugendgefängnis in Heinsberg gebracht, dem BMW-Fahrer wurde der Haftbefehl eröffnet, noch während er im Krankenhaus lag. Als er aus der Klinik entlassen wurde, kam er ebenfalls in die Heinsberger Justizvollzugsanstalt.

Nachdem der Verteidiger des BMW-Fahrers eine sogenannte Haftbeschwerde eingelegt hatte, mit der er die Entlassung des 19-Jährigen aus der Haft erreichen wollte, bestätigte das Landgericht Aachen am 16. Oktober den Verdacht des illegalen Autorennens und des gemeinschaftlichen Mordes. Der Verteidiger des BMW-Fahrers rief daher in letzter Instanz das Oberlandesgericht (OLG) Köln an, das kurz vor Weihnachten auch tatsächlich beschloss, den BMW-Fahrer aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Nach Ansicht von Theodor Dreser (63), dem Vorsitzenden des 2. Strafsenats am OLG, stehe „nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass der Beschuldigte das tödliche Unfallgeschehen billigend in Kauf genommen“ habe. Da deswegen kein Mord angenommen werden kann, hob Dreser den Haftbefehl gegen den BMW-Fahrer auf. In der Folge wurde auch der Haftbefehl gegen den inzwischen 20 Jahre alten Hyundai-Fahrer aufgehoben, beide Männer sind bis zum Beginn des Prozesses auf freiem Fuß.

Was macht die Staatsanwaltschaft nun?

Eigentlich hatte die Statsanwaltschaft noch vor Weihnachten Anklage gegen die beiden Alsdorfer erheben wollen. Doch nach dem Beschluss des OLG wird nun zunächst weiter ermittelt. Sollten sich keine neuen Beweise finden lassen, die die Annahme erhärten, die Männer hätten den Tod der Achtjährigen in Kauf genommen, ist es unwahrscheinlich, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gemeinschaftlichen Mordes erheben wird.

Alternativ käme dann am ehesten eine Anklage wegen eines „Verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge“ in Betracht. Generell gehört das Beweisen eines sogenannten bedingten Vorsatzes, der den Tod eines Menschen zwar nicht direkt beabsichtigt, sondern lediglich in Kauf nimmt, in der juristischen Praxis zu den kompliziertesten und anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt.

Da gegen Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 21 Jahren in aller Regel nicht nach Erwachsenen-, sondern nach Jugendstrafrecht verhandelt wird, betrüge die Höchststrafe bei einer Verurteilung wegen Mordes zehn Jahre Haft. Bei einer Verurteilung wegen eines „Verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge“ betrüge die theoretische Höchststrafe fünf Jahre Haft.

Wann die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, sei derzeit allerdings nicht abzusehen, sagte Behördensprecher Jan Balthasar am Mittwoch.