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Aachen: Umzug: Der Karlsschrein als Spezial-Transport

Aachen : Umzug: Der Karlsschrein als Spezial-Transport

Aus der frommen Stille der Chorhalle ins Blitzlichtgewitter der versammelten Medien: Der Karlsschrein des Aachener Doms, der seit 800 Jahren als goldglänzende Hülle für die Gebeine Karls des Großen dient und 1215 in Gegenwart von Friedrich II. aufgestellt wurde, hat seinen bisherigen Platz für die Dauer der Festtage verlassen.

Ab Donnerstag bis zum 27. Juli, dem historisch dokumentierten Datum, an dem Friedrich II. persönlich den letzten Nagel zum Verschließen eingeschlagen hat, steht der Schrein wieder im Zentralbau, genauer gesagt, ein wenig nach rechts gerückt, im Oktogon.

Langsam absenken: Hier kann man sehen, wie der Transportwagen die Treppenstufen überwindet.
Langsam absenken: Hier kann man sehen, wie der Transportwagen die Treppenstufen überwindet. Foto: Stephan Rauh

„Sein damaliger Platz war das Ostjoch des Sechzehnecks, dort, wo sich jetzt der Hauptaltar befindet“, erklärt Kunsthistorikerin Herta Lepie, die bis 2003 für die Abteilung Goldschmiedekunst am Dom verantwortlich war. „Er stand niemals genau unter dem Barbarossa-Leuchter.“ Sie ist ganz nah dabei, als das drei Zentner schwere Kunstwerk vorsichtig bewegt wird.

Dombaumeister Helmut Maintz legt als Leiter der Dombauhütte selbst Hand an. Unterstützt wird er von Steinmetz Jochem Brammertz und Silberschmiedemeister Lothar Schmitt. Dompropst Manfred von Holtum ist vor Ort. „Wir wollen Karl an jenen Ort bringen, der auf ihn zurückzuführen ist. Das Oktogon wurde schließlich von ihm konzipiert“, sagt er.

Sogar für den Notfall

Vorsichtig wird die Panzerglasscheibe von der Rückfront mit der Figur der Maria gelöst, dann kommt jener Spezialwagen zum Einsatz, den man eigens zum Schrein-Transport konstruiert hat. „Im Lager ist er sperrig, aber es könnte ein Notfall eintreten“, betont Maintz, der an der Entwicklung des Gefährts mit seinen verstellbaren vier Trageelementen und acht Rollen beteiligt war. Zuletzt wurde der Wagen eingesetzt, als 1997/98 die Chorhalle wegen Sanierungsarbeiten zur Baustelle wurde und man den Schrein deshalb ins Oktogon gebracht hatte.

Über Gewindestangen, die von Hand bedient werden, lassen sich feinste Abstufungen der Höhen erreichen — und das ist entscheidend, wie diese Aktion zeigt. Zunächst gleitet der Schrein leicht schwankend auf die Konstruktion. Das funktioniert in großer Ruhe. Jeder Handgriff sitzt, es wird kaum gesprochen. Maintz hat eine seitlich angebrachte Wasserwaage permanent im Blick. Der Schrein mit den Gebeinen des Frankenherrschers darf nicht kippen, das wäre fatal. „Wir haben ein Gefühl für diese Arbeit, das ist besser als jedes technische Hilfsmittel“, versichert der Dombaumeister. Endlich steht das Objekt sicher auf dem Transportwagen, und die Fahrt beginnt. Maintz zieht, Schmitt schiebt. Dann kommt die Stufe. Das erste Trage-Element hängt mit seinen beiden Rädern über dem Mosaikboden. Die Gewinde surren, die beiden Füße senken sich. Damit sich bestimmt nichts bewegt, sichert Schmitt mit festem Griff von hinten das Gefährt. Nach und nach folgen die anderen drei Trage-Elemente. Zentimeter für Zentimeter rückt man nach vorn, dann wird ein Stück gerollt. Die Doppelstufe ist eine Herausforderung, die souverän gemeistert wird. Dann die letzte, deutlich höhere Stufe unterhalb der Heinrichskanzel. Vorbei am Gnadenbild nähert sich der Schrein seinem Bestimmungsort. Edelsteine reflektieren in den Scheinwerfern der Kameraleute, das wechselnde Licht sorgt für immer neue Eindrücke.

Im Oktogon wartet auf einer Hebebühne die einstige Vitrine des Karlsschreins, die das Bistum der Pfarre Franziska von Aachen (St. Foillan) überlassen hatte und die von dort nun wiederum ausgeliehen wurde. „Hoffentlich passt es.“ Maintz atmet tief ein und sagt: „Der Schrein steht auf einer Platte, die er damals nicht hatte, wir haben das zwar ausgemessen, aber man weiß ja nie.“ Es passt. Der Schrein gleitet in sein ehemaliges Glashaus. Jetzt kommen Adolf Radermacher und seine Mitarbeiter zum Einsatz. Die blau-graue Hebebühne stammt aus seiner Stolberger Schlosserei. Mit ihr hat man die Vitrine auf die Höhe des Schrein-Transports gebracht.

Jetzt wird sie hydraulisch abgesenkt. „Unser erster Schrein“, meint Adolf Radermacher, „normalerweise heben wir damit Autos.“ Die Bühne ist blank und sauber. Radermacher schmunzelt. „Ja, sie ist neu.“ Holzplatten und Unterlagen unter den vier Füßen sorgen dafür, dass es keine Kratzer im Mosaikboden gibt. Wenn die speziell für die Festtage geplante Beleuchtung eingerichtet ist, können Besucher den Schrein, der jetzt in etwa 80 Zentimetern Höhe steht, gut betrachten. Lichteffekte werden ihn in Beziehung zum Karlsthron, zu den Bronzegittern und zum Barbarossa-Leuchter setzen.