„Das Haus der Briefe“ : Über die Geschichte der eigenen Familie
Eupen Alfred Küchenberg veröffentlicht „Das Haus der Briefe“ – ein persönliches, faktenreiches Werk rund um die 300-jährige Geschichte des Tuchmacherhauses und seiner Bewohner in Eupen. Es ist kein Roman, aber auch kein Sachbuch.
Ein Buch über Familie ist kein Neuland für Alfred Küchenberg. Als Verleger hat er so manches Buch publiziert. Mit „Das Haus der Briefe“ ist er allerdings selbst unter die Schriftsteller gegangen. Ein Buch über seine Familie, seine Geschichte, verankert mit seinem Geburtshaus (Haas 42) in Eupen, eingeordnet in die Zeitgeschichte.
300 Jahre geht er in ihr zurück und beschreibt Episode für Episode mit entsprechender Bebilderung und Zeitzeugnissen, wie seine Familie sich von Deutschland über Belgien und Frankreich bis in die USA verzweigte und doch verbunden blieb. Verbunden sind die einzelnen Geschichten durch einen Fund, den er nach dem Tod seiner Mutter machte, die einen wahren Familienschatz gehütet hatte, von dem niemand etwas wusste: Eine Kiste mit Briefen aus den vergangen drei Jahrhunderten. Alle aus der Familie. „Ich hatte schon vorher mit der Ahnenforschung begonnen, aber ich hatte noch kein Konzept.“
Geschichtlich sei er schon immer interessiert gewesen; die Stadt-, Kultur- und Industriegeschichte seiner Familie dann auch noch korrekt darin einzubinden, hat jahrelange Arbeit gekostet. Unzählige Archive wurden besucht, Fakten gesammelt, Experten kontaktiert. „Nichts in meinem Buch ist eine Behauptung, alles ist bewiesen, jede Person hat tatsächlich existiert. Ich gebe die Geschichte nur wieder und ordne sie ein.“
Als die Briefe gefunden wurden, stand Küchenberg vor einem weiteren Problem. In der Kaufmannsfamilie sprach man immer schon mehrere Sprachen, in Ausbildung wurde immer schon Zeit und Geld investiert – übrigens für Frauen und Männer. Und so kam es auch, dass Briefe nicht nur in Französisch, sondern auch in Deutsch und Englisch verfasst waren. „Die in Deutsch verfassten Briefe waren ein wirkliches Problem. Sütterlin kann ich nämlich nicht lesen.“ So gab er die Briefe zum Transkribieren an den Sütterlin-Verein in Aachen.
Und als die Briefe zurückkamen, er sie alle einordnen konnte, begann er zu schreiben. „Zum Glück bin ich eine strukturierte Person“, erklärt Küchenberg die Entstehung des Buches, die er quasi im Alleingang bewältigt hat. Gestartet wird mit „Die Hombergs aus Hattingen“, entfernte Vorfahren Küchenbergs, die ihr Gut in Hattingen verließen und sich zuerst in Düren als Tuchhändler niederließen und dann später ihr Glück in Eupen fanden. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
„Den ersten Lockdown habe ich so gut wie gar nicht mitbekommen, so beschäftigt war ich mit dem Schreiben.“ Aber was ist „Das Haus der Briefe“ jetzt für ein Buch? Ein Roman ist es nicht, wobei fast jede einzelne Episode Stoff für einen mehrstündigen Film bieten würde. Was geschah mit seiner damals 17-jährigen Vorfahrin, die sich allein nach Paris aufmachte und eine Begnadigung für ihren Vater beim Kaiser erwirken wollte? Eng gekoppelt ist diese Episode auch an die Geschichte des Aachener Regierungspräsidenten August von Reiman, der nicht nur in Aachen Station machte und sogar einen Orden von Napoleon erhielt, der noch immer in Familienbesitz ist.
Ein Sachbuch, trotz der vielen Ahnentafeln, geschichtlichen Belege und anderen Fotografien ist es auch nicht. „Geschrieben habe ich das Buch für meine Kinder und Enkel, aber natürlich ist das Buch etwas für jede geschichtlich interessierte Person. Vor allem natürlich für die, die sich mit der Tuchmachergeschichte in der Region gerne auseinandersetzt.“ Man erfährt eine Menge: Wie lebte eine gutbürgerliche Familie aus der Region, die durch Europa vernetzt war und mehrere Sprachen beherrschte? Wie wichtig ist das Band Familie durch die Zeit und in die Zukunft? Wie orientiert man sich neu, wenn eine Ära zu Ende geht? „Für mich bedeutet Familie auch, sich seiner Geschichte bewusst zu sein, sie zu kennen und zu akzeptieren“, zieht Küchenberg sein Fazit.
Das Buch endet, anders als geplant nicht mit dem Untergang der Tuchindustrie, sondern mit der Flutkatastrophe, die auch vor dem herrschaftlichen Haus in der Eupener Unterstadt keinen Halt gemacht hat. Wieder ein Moment in der Familiengeschichte, der in Erinnerung bleiben wird. Der die Familie verbindet. Ebenfalls mit Bildern aufgearbeitet, nicht beschönigt oder dramatisiert. Sondern ehrlich, mit vielen Aha-Momenten. So wie der Rest des Buches. Definitiv empfehlenswert.