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Transthyretin-Amyloidose: Symptome, Ursachen und Häufigkeit

Transthyretin-Amyloidose : Eine tödliche Krankheit, die kaum jemand kennt

Wie eine Lawine. So beschreibt Dr. Maike Dohrn vom Uniklinikum Aachen den Verlauf der seltenen Erkrankung Transthyretin-Amyloidose. Lebenswichtig ist, dass sie früh erkannt wird.

Ohne Therapie sterben Betroffene innerhalb von sechs bis zehn Jahren. Ihrem Tod geht ein lange Zeit mit qualvollen Schmerzen und großen Einschränkungen im Alltag voraus. „Wir können sie behandeln, wir müssen sie behandeln und dafür müssen wir sie erkennen“, betont Dr. Maike Dohrn, Neurologin an der Uniklinik Aachen, wenn sie über die erbliche Form der Transthyretin-Amyloidose spricht. Sie tut dies anlässlich des Welt-Amyloidose-Tages, der von Patientenorganisationen aus den USA und Europa ins Leben gerufen wurde und am 26. Oktober 2021 erstmals begangen wird.

Die Krankheit mit dem sperrigen Namen ist äußerst selten, in Deutschland sind gerade einmal etwa 400, weltweit nur rund 10.000 Fälle bekannt. Eine frühzeitige Diagnose kann Leben retten, daher sei es wichtig, Bewusstsein zu schaffen — besonders unter Ärztinnen und Ärzten, sagt Dohrn.

Es beginnt meistens mit kribbelnden und brennenden Missempfindungen in Füßen und Händen, beschreibt die Expertin. Patientinnen und Patienten verlieren allmählich Muskulatur, entwickeln motorische Schwächen, und Finger und Zehen zu heben, fällt ihnen immer schwerer. Bei manchen kommen Inkontinenz, gestörtes Schwitzen, Sehbehinderung und Erektionsprobleme hinzu. Sowohl das Nervensystem als auch verschiedene Organe wie das Herz können gleichzeitig betroffen sein. 35-Jährige erkranken genauso wie 80-Jährige.

Drei Stadien

Der Verlauf wird gemeinhin in drei Phasen unterteilt. Zunächst erleben die Betroffenen Schmerzen und Taubheitsgefühle in Füßen und Händen: Stadium eins. Dann sind sie so eingeschränkt, dass sie Gehhilfen benötigen: Stadium zwei. Und schließlich sind sie auf einen Rollstuhl angewiesen: Stadium drei. Am Ende führen Herzversagen oder auch Infektionen zum Tod.

„Entscheidend ist, dass man versucht, die Gehfähigkeit zu erhalten, dass man also noch bevor Gehhilfen benötigt werden, mit einer Therapie beginnt – idealerweise ab dem ersten Symptom“, sagt Dohrn. Sie spricht von einer Lawine, die, wenn sie einmal rolle, nur noch schwer aufgehalten werden könne.

Doch Patientinnen und Patienten warten mitunter mehrere Jahre, bis sie eine zutreffende Diagnose erhalten. Transthyretin-Amyloidose ist tückisch, weil sie mit ähnlichen Anzeichen wie andere, häufigere Erkrankungen einhergeht. Dohrn verweist etwa auf die diabetische Neuropathie, die ebenfalls zu Taubheitsgefühlen in Füßen und Händen führen kann. Es ist ein bekanntes Problem für Ärztinnen und Ärzte: Scheinbar unendliche mögliche Ursachen stehen scheinbar endlichen Symptomen gegenüber.

Stammbaum als Hinweis

Eine Chance hingegen birgt die Erblichkeit, zumindest mit Blick auf den Diagnosezeitpunkt. „Wenn ein Elternteil die Erkrankung in sich trägt, trägt man sie zu einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent auch in sich“, erläutert Dohrn, die sich als Genetikerin auch auf diesem Gebiet auskennt, den sogenannten autosomal-dominanten Erbgang. Der Nachwuchs, in denen die gefährliche Genmutation schlummert, kann rechtzeitig getestet, regelmäßig betreut und beobachtet werden.

Erblichkeit bedeutet auch, dass die Erkrankung in verschiedenen Regionen auf der Erde unterschiedlich häufig weitergetragen wird. In Nordportugal, Japan, Schweden und Teilen Bulgariens sei sie beispielsweise verbreiteter, weiß die Ärztin. Hinweise ließen sich damit auch aus den Stammbäumen entnehmen.

Bewusstsein schaffen

Dohrn ist seit mehren Jahren weltweit unterwegs, um sich und andere über die seltene Erkrankung aufzuklären. Die renommierte Medizinerin hat Studien geleitet und für ihre Arbeit Preise erhalten. Geld für die Forschung könne es zwar immer mehr geben, viel limitierender seien aber gegenwärtig Zeit- und Personalmangel.

Die Neurologin arbeitet unter anderem am Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSEA) in Aachen. Die Uniklinik verfügt seit 2014 über die Einrichtung, die Forschung vorantreibt und an der Betroffene kompetent beraten und behandelt werden.

„Schreckliche“ Zulassungssituation

Zugelassen sind derzeit drei Medikamente, die den Verlauf der aggressiven erblichen Form der Transthyretin-Amyloidose verlangsamen und Symptome eindämmen können. Für Patientinnen und Patienten im dritten Stadium, also jene, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, gilt wegen einer zu geringen Zahl an Studienteilnehmenden diese Zulassung aber nicht. „Das ist schrecklich“, sagt Dohrn.

Genauso wie diese Ungerechtigkeit: Besonders in Portugal hätten Menschen mit ihrer „mutigen und engagierten“ Teilnahme an Studien für die Zulassung eines Medikamentes gesorgt. Nach der Freigabe, war dieses jedoch für sie nicht mehr zugänglich, da die dortigen Krankenkassen nicht zahlen.

Jede Mühe verfolge den Zweck, Betroffenen zu helfen. Die Aachener Ärztin betont das immer wieder. Es liege ihr am Herzen, die Erkrankung bekannter zu machen, denn: „Sie ist nicht nur behandelbar, sondern auch behandlungsbedürftig!“