Aachen/Brüssel : Armin Laschet? Nie gesehen oder gehört.
Aachen/Brüssel Armin Laschet verkauft sich gern als Kämpfer gegen das umstrittene belgische Kernkraftwerk Tihange. Nicht nur als Aachener, sondern auch als NRW-Ministerpräsident sei das ein besonders wichtiges Thema für ihn, sagt er immer wieder.
So wichtig, dass er sich unverzüglich nach seinem Amtsantritt im Juni 2017 mit Belgien in Verbindung gesetzt habe, wie Laschet in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt hatte. Nur: In Belgien weiß niemand etwas davon.
Stromlieferungen aus NRW sollen die Abschaltung des umstrittenen belgischen Pannen-Reaktors Tihange beschleunigen, hieß es Mitte Dezember in dem Interview. Nach eigenen Angaben hatte Laschet Verhandlungen mit der belgischen Regierung aufgenommen: „Ich bin bereits mit Belgien im Gespräch und will dies fortsetzen.“
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Düren) startete über einen belgischen Parteifreund eine offizielle Anfrage im Parlament. Der belgische Grünen-Fraktionschef Jean-Marc Nollet befragte Energieministerin Marie-Christine Marghem über ihre Kontakte zur NRW-Regierung. Die Antwort auf die Anfrage, die unserer Zeitung vorliegt, ist eindeutig: Der letzte Kontakt zur NRW-Landesregierung habe im Februar 2017 stattgefunden, heißt es. Der damalige NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) hatte Marghem damals eine Studie zur Energieversorgung in Belgien vorgestellt. Mit der neuen Landesregierung hat es keine Begegnungen gegeben. Von Laschet ist keine Rede.
Es sei löblich, dass Laschet mit seiner Kritik an der belgischen Atomkraft sehr klar sei, sagte Krischer unserer Zeitung. „Wenn sein persönlicher Einsatz als Ministerpräsident mal gefordert ist, dann ist es mit der Klarheit aber oft nicht mehr ganz so ganz weit her. Da passt es ins Bild, dass Armin Laschet gerne von seinen Verhandlungen mit der belgischen Regierung schwadroniert, es sich dann aber herausstellt, dass es diese Verhandlungen offensichtlich gar nicht gibt“, kritisierte Krischer weiter.
Die Staatskanzlei erklärte am Montag auf Anfrage unserer Zeitung, dass es eine Bitte um ein Gespräch beim belgischen Innenminister Jan Jambon gegeben habe. Darauf habe Belgien aber nicht reagiert. Tatsächlichen Kontakt hatte Laschet „im Oktober 2017 mit dem belgischen Botschafter Ghislain D’Hoop sowie dem Vertreter der Wallonie und Ostbelgiens Alexander Homann in Düsseldorf über die bilaterale Zusammenarbeit beider Länder“, wie der stellvertretende NRW-Regierungssprecher Moritz Kracht am Montag erklärte. Laschet werde aber noch diesen Monat zu politischen Gesprächen nach Brüssel reisen.
Offensichtlich scheint es ein grundlegenderes Kommunikationsproblem zwischen NRW und Belgien zu geben. In der Antwort der belgischen Energieministerin Marghem heißt es nämlich weiter: „Ich werde bald Energieminister Andreas Pinkwart treffen.“ Davon wiederum wusste man in NRW am Montag nichts — zumindest bis zum frühen Abend.
Das NRW-Wirtschaftsministerium, das nun das Thema Energie betreut, hatte im Spätsommer 2017 bei der belgischen Energieministerin um ein Gespräch gebeten. „Das belgische Ministerium verwies auf den vollen Kalender von Frau Marghem“, sagte eine Sprecherin des NRW-Wirtschaftsministeriums am Vormittag. „Wir würden uns natürlich freuen, weil ein Treffen in unserem Sinne ist.“ Am Nachmittag tauchte dann im Ministerium ein Antwortbrief aus Belgien von Ende Januar auf — mit der Bitte um ein Treffen. „Da werden wir sicher bald einen Termin finden“, sagte die Ministeriumssprecherin am Abend.
Für Verwirrung hatte Laschet bereits zuvor gesorgt, als er den Belgiern in dem Interview eine Kooperation anbot und ausgerechnet für Braunkohlestrom aus NRW warb. „Wir haben uns bei der Weltklimakonferenz in Bonn für den Kohleausstieg starkgemacht. Belgien wird den NRW-Vorstoß nicht goutieren“, sagte Grünen-Fraktionschef Nollet im Gespräch mit unserer Zeitung. „Getrieben von RWE versucht Laschet an jeder Ecke dreckigen Braunkohle-Strom aus NRW feil zu bieten“, sagte Wiebke Brems (Grüne), NRW-Landtagsabgeordnete und energiepolitische Sprecherin.