Was Montag stillsteht : Droht am Superstreiktag auch hier ein Verkehrschaos?
Update Berlin/Aachen Die Gewerkschaften setzen auf volle Eskalation. Zum Beginn der nächsten Woche wird der Nah- und Fernverkehr vielerorts still stehen. Wie sieht es in der Region aus? Und bleibt es beim einmaligen Superstreiktag?
Deutschland dürfte an diesem Montag in weiten Teilen ins Verkehrschaos stürzen. Mit einem doppelten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi den Verkehr weitgehend lahmlegen. Ausfälle und Verspätungen betreffen Millionen Reisende und Pendler. Ein Überblick über eine beispiellose Eskalation:
Welche Bereiche werden betroffen sein?
Der öffentliche Verkehr in großem Umfang – und mit bestimmten Autobahnen auch Teile des Autoverkehrs. Die EVG bestreikt die Bahn, so dass der Betrieb im Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr stillsteht. „So gut wie kein Eisenbahnverkehr“ werde möglich sein, sagt Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Bestreikt werden in großem Umfang die deutschen Flughäfen - laut Flughafenverband ADV können etwa 380.000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frankfurt kommt der Passagierverkehr zum Erliegen. Stark eingeschränkt werden soll auch die Binnenschifffahrt.
Was ist im Nahverkehr geplant?
Hier soll in sieben Bundesländern so gut wie nichts mehr gehen – in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und in Bayern. Bereits Anfang März hatte Verdi in diesen Ländern Busse, Bahnen, Straßenbahnen zum Stillstand gebracht.
Wie sieht es in der Region aus?
Der angekündigte Warnstreik wird auch in der Städteregion Aachen weitreichende Auswirkungen haben. Wo müssen die Pendler warten, welche Linien fahren trotzdem und welche Alternativen gibt es? Das erfahren Sie im Artikel:
Die West im Kreis Heinsberg wird sich erneut an dem Streik beteiligen, teilt Sprecherin Tanja Müller auf Nachfrage mit. Der Streik werde „ganztägig zu Beeinträchtigungen und Ausfällen im Buslinienverkehr der West im Kreis Heinsberg und den angrenzenden Städten und Gemeinden führen“, so das Busunternehmen in einer Mitteilung. „Auch der Multibus-Verkehr – insbesondere im Bereich Geilenkirchen, Gangelt, Selfkant und Waldfeucht – wird davon betroffen sein.“
Wer auf Bus und Bahn angewiesen ist, sollte sich auch im Kreis Düren nach einer Alternative für Montag umsehen. Im Zuge des großen Branchenwarnstreik im Bereich der Mobilität bleiben die Fahrzeuge der Rurtalbus in den Depots. Auch die Rurtalbahn soll bestreikt werden. Die Strecken sind dabei unterschiedlich betroffen. Auf dem Nordast (RB 21/Strecke Düren – Linnich) wird der Betrieb voraussichtlich nahe am regulären Fahrplan verlaufen, teilt das Unternehmen mit. Auf dem südlichen Ast (RB 21/Strecke Düren – Heimbach) enden die Züge von und nach Düren bereits am Haltepunkt Annakirmesplatz. Man bemühe sich vor allem, den Schulverkehr zu den entsprechenden Zeiten sicherzustellen, heißt es. Vor diesem Hintergrund falle der Halbstundentakt ab Untermaubach voraussichtlich aus. Die Eifel-Bördebahn (RB 28/Strecke Düren – Euskirchen) werde nach aktueller Informationslage bis 12 Uhr den Bahnhof in Euskirchen anfahren können. Danach starten und enden die Verbindungen in Zülpich. In Fahrtrichtung Düren enden alle Fahrten am Haltepunkt Binsfeld.
Weitere Bereiche sollen nicht betroffen sein, aber es könne darüber hinaus zu kleineren Aktionen kommen, wie Verdi-Gewerkschaftssekretär Mathias Dopatka mitteilte. Eine davon wird vom Personalrat der Gemeinde Merzenich veranstaltet. Er bittet darum, dass sich möglichst viele Kolleginnen und Kollegen am Mittag vor dem Rathaus versammeln. Eingeladen sind auch Beschäftigte der Kindergärten aus dem Gemeindegebiet. Es handele sich bei dieser „bewegten Mittagspause“, die etwa 15 Minuten dauern soll, nicht um einen Streik, teilt die Gemeinde mit. Man wolle ein kleines Zeichen setzen und sich solidarisch erklären für die „Forderung nach einem vernünftigen Tarifabschluss“, heißt es.
Was ist im Fernverkehr geplant?
Die Deutsche Bahn stellt wegen eines großangelegten Warnstreiks im Verkehrssektor am kommenden Montag den gesamten Fernverkehr ein. Auch im Regionalverkehr werde „größtenteils kein Zug fahren“, teilte der Konzern am Donnerstag mit. „Bereits am Sonntagabend sind laut Aussagen der Gewerkschaft erste Auswirkungen durch streikende Mitarbeitende möglich“, hieß es. Der Warnstreik werde sich demnach auch am Dienstag noch auf den Bahnverkehr auswirken.
Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, könnten das Ticket noch bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, kündigte die Bahn an. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden. Der Konzern versprach, so bald wie möglich ausführlicher über die Warnstreik-Auswirkungen zu informieren.
Mit dem großangelegten bundesweiten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie Verdi am kommenden Montag weite Teile des öffentlichen Verkehrs lahmlegen. Betroffen sind der Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene, nahezu sämtliche deutsche Flughäfen, Wasserstraßen und Häfen sowie Autobahnen, wie beide Gewerkschaften am Donnerstag in Berlin mitteilten.
Was kommt auf Autofahrerinnen und Autofahrer zu?
Geschlossene Tunnel – aber zunächst war noch nicht klar, wo genau. „Wir werden bestimmte Tunnel in den Blick nehmen“, kündigte Verdi-Vize Christine Behle an. Diese würden geschlossen - die Durchfahrt sei faktisch dann unmöglich. Als Beispiel nannte Behle den Elbtunnel in Hamburg.
Wann beginnt der Großstreik genau?
In der Nacht auf Montag um Mitternacht soll es losgehen – 24 Stunden soll der Ausstand andauern. EVG-Chef Martin Burkert empfahl Reisenden ausdrücklich, am Sonntag rechtzeitig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollen Reisende aber nicht stranden. „Wir werden keinen Fahrgast aus dem Bus werfen“, sagte Behle.
Was sind die Folgen für NRW?
Am Montag fällt wegen des bundesweiten Warnstreiktages nicht nur der Fernverkehr, sondern NRW-weit größtenteils auch der Regional- und S-Bahnverkehr aus. „Wir erwarten massive Beeinträchtigungen“, sagte ein Bahnsprecher in Düsseldorf auf Nachfrage.
Beim größten NRW-Nahverkehrsanbieter DB Regio NRW führen am Montag ab 0 Uhr überhaupt keine Züge, sagte ein Sprecher. Ob es am Nachmittag wieder einzelne Verbindungen geben werde, müsse man sehen. DB Regio betreibt wichtige Linien in NRW wie den RE 2 (Düsseldorf-Osnabrück) und die S-Bahn-Linien S6 (Essen-Köln) und S1 (Dortmund-Köln). Schienenersatzverkehr mit Bussen sei allein wegen des Umfangs und fehlenden Personals nicht möglich, sagte der Sprecher.
Der DB-Konkurrent National Express mit seinen großen RRX-Linien RE 1, RE 5, RE 6 und RE 11, teilte mit, dass sein Personal nicht streike. Allerdings nutze der Anbieter die DB-Schienenwege und rechne angesichts der geplanten Streiks in Stellwerken mit Ausfällen und Einschränkungen. Ein Busnotverkehr auf den wichtigen Linienabschnitten werde eingerichtet. Dasselbe gilt für die Rhein-Ruhr-Bahn mit den Linien RE 10 „Niers-Express“, RE 14 „Emscher-Münsterland-Express“ und RB 31 „Der Niederrheiner“. Auch hier sollen Busse eingesetzt werden.
Fahrgäste müssten auch damit rechnen, kaum aktuelle Informationen über ausfallende Züge zu erhalten, da das Personal an Informationsschaltern oder in der Betreuung der Online-Informationsangebote der Bahn ebenfalls streike, sagte der Bahn-Sprecher.
Der ADAC NRW riet, wo es möglich ist im Homeoffice zu bleiben oder außerhalb der Stoßzeiten zum Arbeitsplatz zu fahren. Wer mit dem Auto unterwegs sei, solle in jedem Fall mehr Zeit einplanen als sonst, hieß es in einer Mitteilung.
Im Einzelnen richte sich der Aufruf in Nordrhein-Westfalen an die Beschäftigten des Flugverkehrs an den Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und Dortmund, flächendeckend den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) und in den kommunalen Häfen und Schleusen etwa in Duisburg, Minden und im Münsterland.
In Düsseldorf sind am Montag 330 Flugbewegungen mit rund 37.500 Passagieren geplant. Einen Großteil müssten die Airlines wegen des Streiks unter anderem der Verwaltung und des Sicherheitspersonals wohl absagen, sagte ein Flughafensprecher. Auch der Spät-Check-in am Sonntagabend falle wegen des geplanten Streiks aus. Der Streik beginne in Düsseldorf in drei Wellen um null, drei und sechs Uhr am Montag und dauere jeweils 24 Stunden, also teils bis in den frühen Dienstagmorgen hinein.
Am Flughafen Köln/Bonn sind 176 Flugbewegungen – 88 Starts und 88 Landungen – geplant. Hier beginnt der Streik bereits am Sonntagabend um 22 Uhr und zieht sich in Teilbereichen ebenfalls bis in den Dienstagmorgen. Wie viele Flüge ausfallen, lasse sich am Freitag noch nicht beziffern, sagte ein Flughafensprecher. Die Airlines entschieden oft recht kurzfristig über Flugabsagen. Beim Streik in der vergangenen Woche hatte der Flughafen aber bis auf wenige Ausnahmen fast alle Flüge absagen müssen.
In NRW wie im Bund sind von der beispiellosen Warnstreik-Aktion der Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr der Deutschen Bahn sowie weiterer Eisenbahn-Unternehmen betroffen. Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso wie die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung.
Gibt es am Montag schulfrei in NRW?
Der geplante Großstreik im Verkehrssektor am Montag hat auch Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler in mehreren Bundesländern. Bayern und Baden-Württemberg heben dafür die Präsenzpflicht auf.
Anders ist das in Nordrhein-Westfalen: Dort müssen die Kinder trotz Warnstreiks zur Schule. „Am kommenden Montag findet Schule statt“, hieß es aus dem Schulministerium. Auch an den Brandenburger Schulen soll der Unterricht nach Plan laufen. Allerdings könnten sich Schülerinnen und Schüler, die auf den Schülerverkehr angewiesen seien, vom Präsenzunterricht befreien lassen.
Was bedeutet der Streik für die Schifffahrt?
Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa der Hamburger Hafen sollen bestreikt werden. Bestimmte Bereiche seien dann komplett blockiert, der Hamburger Hafen werde für große Schiffe teils nicht mehr erreichbar sein.
Gab es schon derartige Gemeinschaftsstreiks?
Ja, Anfang der 1990er Jahre. Damals wurden während eines sogar mehrwöchigen Streiks der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland gleichzeitig bestreikt. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf - nicht um Warnstreiks.
Sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden ungewöhnlich?
„Das ist eine ungewöhnliche Sache“, sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen aber naheliegend. Ein großer Warnstreik zum Start einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: „Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns.“
Bleibt ein Streiktag dieses Ausmaßes einmalig?
Das ist offen. Die Gewerkschaften zeigen sich äußerst entschlossen. „Wir können streiken“, betonte Verdi-Chef Frank Werneke. Tarifexperte Schulten erwartet aber derzeit eher, dass der gemeinsame Streiktag „erst einmal eine punktuelle Aktion“ bleibt, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sagt. Schließlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.
Warum gibt es den Superstreiktag?
Aus Sicht der Gewerkschaften zeigen die Arbeitgeber in mehreren Tarifrunden zu wenig Bewegung. Mit der Großaktion am Montag lassen sie pünktlich zur dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst die Muskeln spielen. Für die 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen verlangen Verdi und der Beamtenbund dbb 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die EVG kämpft derweil mit mehreren Unternehmen um mehr Geld - besonders im Blick: die Deutsche Bahn.
Wie reagieren die Arbeitgeber auf die Ankündigungen?
Mit heftiger Kritik. „Nicht ok“ ist die massive Ankündigung für die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Welge argumentiert, dass ein Ergebnis schließlich in der dritten Runde in Potsdam gefunden werden könne. Auch Bahn-Personalvorstand Seiler forderte „eine zügige Lösung“ statt eines großen Warnstreiks.
Welche Szenarien gibt es?
Für den öffentlichen Dienst erinnert Tarifexperte Schulten an den Ablauf bei der Post: Hier hatten sich die Verdi-Mitglieder bereits per Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen. Doch dann folgte kurzerhand eine weitere Verhandlungsrunde – und eine Einigung. So etwas sei auch beim öffentlichen Dienst denkbar. Falls es in Potsdam kommende Woche keine Einigung gibt, würde aber wohl zuerst der Versuch einer Schlichtung unternommen, meint Schulten.