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Kritik an Seehofer: Stamp fordert mehr Engagement für Flüchtlinge

Kritik an Seehofer : Stamp fordert mehr Engagement für Flüchtlinge

Die Bilder aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria haben alle Parteien erschüttert. Wie den Tausenden obdachlosen Migranten aber geholfen werden soll, darüber ist ein Streit entbrannt. Die FDP zeigt Richtung Seehofer.

Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) hat der schwarz-roten Bundesregierung nach der Brandkatastrophe im griechischen Flüchtlingslager Moria mangelndes Engagement für eine europäische Lösung vorgeworfen. „Hier kommt vom Bundesinnenminister (Horst Seehofer/CSU) und auch vom Bundesaußenminister (Heiko Maas/SPD) einfach viel zu wenig“, sagte Stamp am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Es könne doch nicht der Anspruch der europäischen Ratspräsidentschaft sein, „dass man mal ein paar Abteilungsleiter in anderen Ländern antelefoniert, ob es dort Bereitschaft gibt“. Vielmehr müsse man in diese EU-Länder fahren und Hilfe konkret einfordern. „Da kommt mir von Horst Seehofer einfach zu wenig“, so Stamp. „Und ich finde, dass man am Ende einer Karriere ein Bundesinnenministerium auch nicht in Teilzeit führen kann.“

SPD und Grüne im Landtag forderten die Aufnahme von mehr Schutzsuchenden aus dem Lager Moria auf der Insel Lesbos als bisher zugesagt. Dafür solle sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Bund einsetzen, sagte Grünen-Fraktionschefin Monika Düker. Die bisherigen Zahlen seien nur ein „humanitäres Feigenblatt“. Die SPD-Abgeordnete Lisa Kapteinat sagte: „Wir können mehr.“ Seehofer müsse den Weg für mehr Hilfe Deutschlands freimachen. Städte und Kommunen in NRW hätten sich bereits seit Monaten unter der Initiative „Sichere Häfen“ bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen.

Deutschland will nach der Brandkatastrophe in Moria zusätzlich 1553 Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufnehmen. Bereits am Freitag hatte Seehofer angekündigt, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen aus Moria bis zu 150 Jugendliche aufnehmen. Laschet hatte zuvor die Aufnahme von 1000 Flüchtlingen in NRW angeboten. Dabei handelt es sich um besonders gefährdete Personen wie Kinder, Kranke und Frauen, die in Griechenland bereits als
schutzbedürftig anerkannt wurden.

Stamp warf der Opposition vor, mit der Forderung nach Aufnahme von mehr Flüchtlingen den bereitwilligen Kommunen Sand in die Augen zu streuen. Dafür müsse es in Deutschland eine gemeinsame Linie geben, und dann müsse eine gemeinsame europäische Lösung gefunden werden, sagte der FDP-Politiker. Es könne doch nicht jedes Bundesland allein mit der griechischen Regierung verhandeln. Das sei in der Praxis gar nicht umzusetzen. Nur der Bund könne das koordinieren.

Laschet und Stamp hatten Anfang August das seit Jahren heillos überfüllte Lager Moria besucht und eine rasche europäische Lösung angemahnt. Viel zu lang habe die EU der „Verelendung“ des Lagers zugeschaut, sagte Stamp nun im Landtag. „Es ist nicht allein ein griechisches Problem, sondern ein Problem der gesamten Europäischen Union.“ Stamp schlug vor, einen europäischen Sonderbeauftragten einzusetzen, der die Verteilung der Migranten organisieren solle.

Auch ein deutscher „Alleingang“ bei der Aufnahme von Migranten würde eine europäische Lösung nicht verhindern, so Grünen-Politikerin Düker. Moria stehe für eine „fehlgeleitete europäische Politik, die auf Abschreckung setze und Menschenrechte mit den Füßen trete“. Nordrhein-Westfalen müsse sich nun „an die Spitze einer Koalition der Willigen“ stellen.

CDU-Landtagsfraktionschef Bodo Löttgen warnte: „Es darf keinen Wettbewerb um die höchste Zahl von Flüchtlingen geben.“ Die CDU-Abgeordnete Heike Wermer bezeichnete einen Alleingang als „fatales Signal“. Dann würden sich die anderen EU-Länder auf Deutschland verlassen und mit dem Problem allein lassen.

Die AfD erklärte, das Lager von Moria sei von Migranten selber in Brand gesetzt worden. „Die Brandstifter von Moria sollen für ihre Erpressungsversuche belohnt werden“, sagte AfD-Fraktionschef Markus Wagner. Die Lösung der Flüchtlingsfrage sei nicht der deutsche Sozialstaat.

Griechenland will alle Bewohner des abgebrannten Lagers weiter vor Ort versorgen und nicht auf das Festland bringen - das haben Regierungsvertreter mehrfach betont. Vor Ort entsteht ein großes Zeltlager. Hintergrund ist unter anderem die Befürchtung, dass sonst auch Migranten in anderen Lagern absichtlich Feuer legen könnten, um ihre Weiterreise nach Europa, insbesondere Deutschland, zu erzwingen.

(dpa)