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Aachen: Simulationen im „Zentrum für Virtuelle Realität Aachen”

Aachen : Simulationen im „Zentrum für Virtuelle Realität Aachen”

Vor solchen Terminen sollte man keinen Kaffee trinken. Mit gefühlten 150 km/h rast das Aachener Rathaus auf einen zu, bevor es einem auf den Kopf fällt, man aus hundert Meter Höhe in die gegenüberliegende Apotheke schleudert und sich nur noch die Hände vors Gesicht halten kann als man im Sturzflug auf den viel zu engen Eingang der Arkaden auf der Jakobstraße zujagt.

In Wirklichkeit steht man die ganze Zeit auf dem Boden des Rechenzentrums der RWTH. Nur der Kaffee kommt einem wirklich hoch.

Wir befinden uns in einem der teuersten Spielzimmer der Wissenschaft. „Cave” heißt es, Höhle zu deutsch und auch Abkürzung für „automatische virtuelle Umgebung”. Das ist ein Kubus von zehn Quadratmetern Grundfläche und 2,70 Metern Höhe, in den hinein von außen rundum Computer-Animationen hineinprojiziert werden.

Mit einer entsprechenden (3D-)Brille nimmt man diese dreidimensional wahr und kann außerdem mit einem Joystick die Projektionen bewegen, vergrößern, verkleinern, auf den Kopf stellen. Man steht mittendrin in einer Welt, die wie echt aussieht, in Wirklichkeit aber aus purer Mathematik besteht. Höchstleistungsrechner schaffen diese „Virtual Reality”, die scheinbare Wirklichkeit. „Der Ingenieur steht in seinem Datensatz”, sagt der vorführende Diplominformatiker Bernd Hentschel. Passender kann man das nicht ausdrücken.

Sechs Millionen Euro

Auf dem virtuellen Aachener Markt zum Beispiel können Patienten mit Orientierungsstörungen wieder erste „Gehversuche” machen. Hauptsächlich aber werden die Simulationen von Maschinen- oder auch Körperteilen visualisiert (sichtbar gemacht), um darin zum Beispiel Strömungsverhältnisse, Energie- oder Blutflüsse zu analysieren.

Das „Virtual Reality Center Aachen” ist dabei nur eins von 15 Instituten der RWTH, des Forschungszentrums Jülich und der Max-Planck-Gesellschaft, das bald zu einer der erlesensten Ausbildungen beiträgt, die man sich in Europa vorstellen kann. Weltweit ausgesuchte Studenten werden ab April 2007 in der „Aachener Graduiertenschule für Computational Engineering Science” auf schnellstem Wege vom Bachelor zum Doktor gemacht. Und statt des traditionellen Doktorvaters hat jeder von ihnen gleich vier Betreuer. Die 20 jeweils besten Studenten pro Jahrgang werden mit Vollstipendien unterstützt.

Diese „Aices” abgekürzte Schule verbindet Mathematik, Informatik und Ingenieurswissenschaft zu einer immer wichtiger werdenden Querschnitts-Kompetenz: der Simulation von technischen Vorgängen und Planungen aller Art mit Computern. Professor Marek Behr ist der Sprecher, Dr. Martin Mönnigmann der Organisator des kürzlich mit höchsten Weihen versehenen Projekts: Ausgezeichnet von der Exzellenzinitiative wird es mit sechs Millionen Euro bis 2011 gefördert.

Der Gast muss übrigens nicht unbedingt so schwindelerregend über den Aachener Markt rasen wie die Virtual-Ingenieure das gerne vorführen. Demnächst wollen sie den Krönungssaal animieren. Beim auch geplanten Bauhaus gibt es ja nichts mehr zu rechnen.