Aachen : „Schreiben bedeutet Freiheit und Disziplin”
Aachen „Bei jeder Lesung werde ich auf Harry Potter angesprochen”, lacht Sigrid Zeevaert, „die Kinder denken immer, ich bin unheimlich reich.”
Ein bisschen nervt es die Aachener Kinder- und Jugendbuchautorin schon, wie zäh das Klischee der flugs einen Kassenknüller nach dem nächsten schreibenden Mutter sich bei den Lesern festgesetzt hat und wie nachhaltig die Fantasy-Welle den Buchmarkt dominiert: „Joanne Rowling hat es nicht unbedingt leichter gemacht.”
Sigrid Zeevaert hat auch drei Kinder, aber die kamen zehn Jahre nach ihrem erfolgreichen Debüt. Das gelang der Studentin der Fächer Deutsch und Sport mit ihrer Examensarbeit und einem sehr ernsten Thema: „Max, mein Bruder” erzählt die Geschichte von Jo, deren Zwillingsbruder an Krebs erkrankt.
Ihre Prüfungsaufgabe lautete, ein Kinderbuch zu schreiben und den Prozess der Entstehung zu reflektieren. Ihr Professor ermutigte sie, das Buch zu veröffentlichen, und wenige Wochen später hatte die Newcomerin einen Verlag gefunden. Jetzt war die 25-Jährige plötzlich Autorin statt Grundschullehrerin, die gleich für ihr erstes Buch den Förderpreis des Landes NRW, mehrere Nominierungen und Auszeichnungen einheimste.
„Das hat mich damals völlig überrollt”, erinnert sich die gebürtige Aachenerin. Doch der Erfolg stieg ihr nicht zu Kopf. Nach dem Lampenfieber vor der ersten Lesung merkte sie, dass es ihr leicht fiel, den Kontakt zu Kindern herzustellen. Und die ersten Honorare legte sie auf die hohe Kante. „Ich war zu ernsthaft damit beschäftigt, worum es mir wirklich ging. Ich begriff, dass dies eine Tätigkeit ist, die ich wirklich liebe”, beschreibt Sigrid Zeevart diese Zeit.
Gleichzeitig war ihr bewusst, das Ruhm vergänglich ist und freiberufliche Autoren kaum wirtschaftlich abgesichert sind. Der Kontakt zu Kollegen und hilfsbereite Lektoren half und sie schrieb weiter, denn der Buchmarkt verlangt immer wieder neue Titel.
Vormittags kreativ
Verträge werden für jedes Projekt einzeln abgeschlossen, nachdem das Exposé abgestimmt ist. Dann wird auch ein möglicher Erscheinungstermin festgelegt. Sigrid Zeevaert liebt den Kontakt zu den jungen Zuhörern, hat aber Jahre gebraucht, um sich mit den extremen Arbeitssituationen zu arrangieren: Mal ist sie mehrere Tage in Deutschland oder der Schweiz unterwegs, dann arbeitet sie wieder zurückgezogen am Schreibtisch.
Dabei waren es auch ihre eigenen Kinder, die es nötig machten, der „schriftstellerischen” Freiheit, was die Arbeitszeiten betrifft, mit noch mehr Disziplin zu begegnen.
Die 45-Jährige hat ihr Reich direkt neben dem Kinderzimmer, um für die drei ansprechbar zu sein. Sie schreibt vor allem vormittags, wenn das Haus ihr allein gehört. Gleichzeitig ist sie froh, dass ihr Mann viele Aufgaben übernimmt.
Sigrid Zeevaert hat mittlerweile 21 Bücher veröffentlicht und für Hörfunk- und Fernsehen geschrieben. Es ist ihr gelungen, nach einem Senkrechtstart die Bodenhaftung nicht zu verlieren und kleinere Krisen zu überwinden. Sie schreibt ernste und heitere, aber immer realistische Geschichten, die nichts mit dem Fantasy-Trend zu tun haben, aber viel mit der Gefühlswelt von Kindern.