Aachen : „Revier-Appell“: Gewerkschaften fordern mehr Geld für Strukturwandel im Rheinland
Aachen Der Zeitkorridor ist eng. Die Kohle-Kommission soll laut Auftrag der Bundesregierung bis Oktober Empfehlungen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklungen aller deutschen Braunkohleregionen vorlegen — und deren finanzielle Absicherung aufzeigen.
Die beiden Landesbezirke der Gewerkschaften Verdi und IG BCE halten das für nicht realisierbar, „jedenfalls nicht, wenn man die betroffenen Regionen ernsthaft in die Erarbeitung dieser Empfehlungen einbeziehen will“. In ihrem am Freitag veröffentlichten „Revier-Appell“ ist daher ein Beteiligungskonzept, das die Bundesregierung vorlegen müsse, eine zentrale Forderung. Oder wie der Alsdorfer Bezirksleiter der IGBCE, Manfred Maresch, es formuliert: „Inhalt geht vor Schnelligkeit.“
Grundsätzlich halten es die beiden Gewerkschaften für dringend geboten, dass Bundes- und Landesregierung mit den betroffenen Kommunen und den Beschäftigten das Gespräch suchen. Nur dann könnten auch die konkreten Vorstellungen vor Ort überhaupt in die zeitlich arg begrenzte Arbeit der Kohle-Kommission einfließen.
40 Erstunterzeichner
Manfred Maresch hat die Aktion der Gewerkschaften kurzfristig koordiniert und war mit über 40 Erstunterzeichnern, die sich binnen Stunden gefunden haben, zufrieden: „Das sieht schon ganz gut aus.“ Mit dem Appell im Gepäck reiste der Bezirksleiter am Freitagnachmittag nach Bergheim, wo auf Schloss Paffendorf die Revierkonferenz der Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) stattfand.
Laut „Revier-Appell“ ist es mit den bislang im Koalitionsvertrag vorgesehenen 1,5 Milliarden Euro, von denen ja nur ein Teil auf das Rheinland als einer von vier potenziellen Empfängern entfallen kann, nicht getan. Die Gewerkschaften regen an, schon vorhandene Finanzierungsinstrumente (zum Beispiel Bundesverkehrswegeplan, Digital-Strategie oder Breitbandausbau) in Land und Bund „intelligent zu bündeln“ und im Rheinischen Revier anzuwenden. Dazu sollte der Region ein „Sonderstatus zugebilligt werden“.
Ähnliches schlagen Verdi und IG BCE mit Blick auf die Flächen- und Landesentwicklungsplanung vor: eine Sonderrolle fürs Rheinland, um die vorhandenen Flächen schnell nutzen zu können. Hier sollen auch die Stärken des Reviers als Forschungsstandort und vor allem in der Entwicklung von Energietechnologien zum Tragen kommen.
Natürlich hegen IGBCE und Verdi weiter grundsätzliche Sorgen. Manfred Maresch: Ein verfrühter und „von Symbolpolitik getriebener“ Ausstieg aus der Kohle habe „schmerzhafte Folgen für die gesamte heimische Industrie“. Und: „Niemandem ist geholfen, wenn wir uns mit der Energiewende übernehmen.“ Die beiden Landesbezirke liefern dennoch als erste einen umfassenden Katalog, mit welchen Instrumenten der Strukturwandel angegangen werden könnte — bei der längst notwendigen Positionierung.
Ende der Kirchturmspolitik?
Unterdessen hat die SPD-Bundestagsfraktion in Berlin auf den Start der Kohle-Kommission reagiert. Parteichefin Andrea Nahles berief einen Arbeitskreis, der die Kommission begleiten soll ein: mit mehreren Bundes- und Landesministern, aber auch den führenden Gewerkschaftern des Landes.
Einer der drei Leiter ist der SPD-Bundesschatzmeister Dietmar Nietan (MdB/Düren). Er begrüßt die Gewerkschaftsinitiative rundweg und gehörte wie die CDU-Landtagsabgeordnete Patricia Peill (Nörvenich) sowie mehrere Landräte und Bürgermeister (unter anderem Alsdorf, Düren, Niederzier, Baesweiler) zu den Erstunterzeichnern. Nietan freut sich: „Das ist ein parteiübergreifender Aufschlag und ein Zeichen dafür, dass die Kirchturmspolitik endet.“