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Missbrauchsfall Lügde: Reul weist Versäumnisse erneut zurück

Missbrauchsfall Lügde : Reul weist Versäumnisse erneut zurück

Im Fall des massenhaften Kindesmissbrauchs von Lügde hat Innenminister Herbert Reul (CDU) den Vorwurf eigener Versäumnisse erneut zurückgewiesen.

Reul wehrte sich am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags gegen den Vorwurf der Opposition, die Dimension des Falls zu spät erkannt zu haben. Die Grünen forderten wie die AfD einen Untersuchungsausschuss zum Fall Lügde.

Reul sagte: „Sie können auch drei Untersuchungsausschüsse machen, ich habe kein Problem damit.“ Er werde aber mit dem Kampf gegen Kinderpornografie „nicht warten, bis ein Ausschuss fertig ist“, sagte der aufgebrachte Minister. „Die Hütte brennt.“ Jeden Tag kämen in NRW Fälle von Kindesmissbrauch ans Licht. Er habe die Fragen, wann und wo er im Fall Lügde was wusste, „mittlerweile 397 Mal beantwortet“.

Schon Mitte Januar hatte die Kreispolizei Lippe an das Ministerium berichtet, dass möglicherweise 30 oder mehr Kinder und Jugendliche auf dem Campingplatz in Lügde Opfer des Missbrauchs geworden sein könnten. Reul wurden die Berichte nicht persönlich vorgelegt.

 Ein Kinderauto liegt unter dem Trümmern vor der zum Teil bereits abgerissenen Parzelle des mutmaßlichen Täters auf dem Campingplatz Eichwald im Ortsteil Elbrinxen. Der Campingplatzbetreiber lässt den Tatort abreißen.
Ein Kinderauto liegt unter dem Trümmern vor der zum Teil bereits abgerissenen Parzelle des mutmaßlichen Täters auf dem Campingplatz Eichwald im Ortsteil Elbrinxen. Der Campingplatzbetreiber lässt den Tatort abreißen. Foto: dpa/Guido Kirchner

Der Polizeibericht habe aber „klar signalisiert“, dass die Kreispolizei glaubte, „alles im Griff zu haben“, sagte Reul im Ausschuss. Außerdem bekomme er „nicht jeden Vorgang“, der ins Haus komme, auf seinen Tisch. „Dafür gibt es Mitarbeiter und Fachreferate.“ Er habe in den ihm damals vorliegenden Informationen „keine Brisanz“ gesehen. Die darin erwähnte Sicherstellung von 12.500
kinderpornografischen Dateien sei für Polizeibehörden eine „übliche Menge“. Es gebe mehrere Fälle dieser Größenordnung aus den vergangenen Jahren.

Auf dem Campingplatz in Lügde soll ein 56-jähriger arbeitsloser Dauercamper mit einem Komplizen über Jahre hinweg mehr als 40 Kinder missbraucht und dabei gefilmt haben. Inzwischen liegen die Anklagen gegen den 56-Jährigen und einen weiteren Beschuldigten vor.

Die SPD zeigte sich fassungslos. Die Erhöhung der Zahl von anfangs acht auf dann 30 Opfer in dem Januar-Bericht hätte bereits hellhörig machen müssen, sagte der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas. Doch es seien weitere drei Wochen verloren worden, bis Ende Januar in einer Pressekonferenz der Polizei das Ausmaß öffentlich geworden sei. Erst danach hatte das Innenministerium die Ermittlungen von der Polizei Lippe an die größere Behörde in Bielefeld übertragen.

Die Grünen-Fraktion halte weiterhin einen Untersuchungsausschuss zum Fall Lügde für notwendig, sagte die innenpolitische Expertin Verena Schäffer. Dieser solle aber erst nach Erhebung der Anklage gegen alle Beschuldigten beantragt werden. Der U-Ausschuss könne auch die Chance bieten, gemeinsam strukturelle Verbesserungen beim Kinderschutz hinzubekommen. Dass das Ministerium erst durch die Pressekonferenz der Polizei Ende Januar, als von mehr als 1000 Einzeltaten die Rede war, das Ausmaß erkannt haben wolle, nannte Schäffer „naiv“.

Es sei nicht unerheblich, wann das Ausmaß des Lügde-Falls dem Minister bekannt geworden sei, sagte Bialas. „Denn die Personifizierung der inneren Sicherheit ist der Minister.“

(dpa)