Race Across Germany am 10. September : Im Rennradsattel nonstop von Aachen nach Görlitz
Aachen Im Rennradsattel einmal quer durch Deutschland, von West nach Ost, von Aachen nach Görlitz, 798 Kilometer nonstop: Das ist das „Race Across Germany“ (RAG). Mit dabei sind drei Ultra-Radsportler aus der Region.
Für den Stolberger Prof. Roland Fuchs, Norbert Vohn aus Herzogenrath und den Würselener Paul Thelen beginnt das Abenteuer „Race Across Germany“ am 10. September. Die Aachener Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen wird ab 8 Uhr früh 35 Starterinnen und Starter auf die Strecke schicken, coronabedingt alle zwei Minuten zwei Fahrer.
Eigentlich ist es Teil zwei der Fernfahrt, die der Extremsportler Dieter Göpfert vor 20 Jahren aus der Taufe gehoben hat mit dem Ziel, „persönliche Grenze erfahrbar zu machen.“ Die erste, längere Etappe führte am 2. Juli von Flensburg über 1100 Kilometer nach Garmisch-Partenkirchen.
Nun geht es schnurstracks gen Osten – von Aachen über Bonn, durchs Siebengebirge hinein in den Westerwald, über die Röhn zum Thüringer Wald, vorbei an der Wartburg Richtung Erzgebirge und schließlich in die Oberlausitz zum Ziel in Görlitz, dem beschaulichen Städtchen an der Neiße.
„Ziemlich wellig“, sagt Norbert Vohn, „du kriegst es immer ...“ Der Ingenieur ist die Route im vergangenen Sommer auf eigene Faust gefahren, nachdem das Rennen wegen der Coronavirus-Pandemie kurzfristig abgesagt werden musste. Am Ende addiert sich das Auf und Ab durch Deutschlands Mittelgebirge auf knapp 8000 Höhenmeter. Vohn, der 2018 die Nord-Süd-Strecke des RAG in nur 39 Stunden und 4 Minuten heruntergespult hat, startet „unsupported“, als Solofahrer. Verpflegung, Getränke, Wäsche zum wechseln, Regenschutz, Werkzeug, Energieriegel, alles muss in eine Packtasche unter den Sattel und an den Rennradlenker – und die Seelennahrung nicht zu vergessen: „Wenn ich den Moralischen kriege, brauche ich Gummibärchen.“
Roland Fuchs und Paul Thelen gehen in der Altersklasse 60plus, jeder für sich, mit einem Begleitfahrzeug auf die Reise, das auch Ersatzteile an Bord hat. Die Verständigung mit der Begleitcrew erfolgt per Funk. Nur nachts sind die Autos immer hinter dem Fahrer, „tagsüber wäre das einfach ein zu großes Verkehrshindernis“, sagt Thelen.
Überhaupt die Nacht: Das wird der härteste Teil des Trips. Um 21.30 ist es Mitte September dunkel, die Sonne geht erst kurz nach 7 Uhr auf. Dazwischen liegen einsame Stunden im Sattel und der Kampf gegen die Müdigkeit. Dann lauert der Mann mit dem Hammer am Wegesrand. „Wenn die rosa Kaninchen von links über die Straße laufen“, erinnert sich Vohn an so einen nächtlichen Schwächemoment, „und die gelben Elefanten von rechts, dann wird es Zeit für eine Pause.“ Eigentlich ist es nur die berühmte Mütze Schlaf, aber auch ein „Power Nap“ von 15 Minuten, auf einer Bank im Nirgendwo, kann den inneren Akku erstaunlich gut aufladen. Und dann geht’s wieder weiter ostwärts – kurbeln, kurbeln, kurbeln.
Das ist nicht nur die reine Schinderei. „Wenn Du so alleine durch die Dunkelheit rollst, wenn es trocken bleibt und mal nicht von vorne bläst – dann kann das etwas Meditatives haben“, sagt er. Roland Fuchs kennt solche Momente vom „Race Across America“, von der US-West- an die Ostküste, das er schon zwei Mal gefahren ist: „Nachts durch die Mojave-Wüste, absolute Dunkelheit und über dir die Milchstraße – das ist magisch.“ Man darf bloß nicht übersehen werden, perfekte Beleuchtung vorn und lieber drei statt zwei Rücklichter sind die beste Lebensversicherung.
Eine gute Vorbereitung ist wichtig, aber planen lässt sich nicht alles. Paul Thelen sitzt Woche für Woche 500 Kilometer im Sattel und hat schon mehrfach das erste Teilstück Aachen-Bonn-Aachen absolviert, Rolands Fuchs fuhr 350 Kilometer durch den Westerwald, Norbert Vohn nimmt mehrfach pro Woche Distanzen zwischen 100 und 200 Kilometer unter die Pneus. Gegen Pannen und vor allem schlechtes Wetter – es geht schließlich quer durch Deutschland – hilft auch das beste Training nicht: „Platzregen, Wind, Kälte, Gewitter, platter Reifen – du weißt nie, was dich auf der Strecke erwartet“, sagt Vohn aus Erfahrung.
Navigiert wird mit GPS, ein Tracker behält die Fahrer und ihre Zeiten für den Veranstalter ständig im Blick. Zwei Kontrollstellen müssen angefahren werden. Und wann wollen sie ankommen am 11. September? Der Mediziner Fuchs möchte zunächst im Zeitlimit von 42 Stunden bleiben, „37 Stunden wären schon optimal“, sagt der ehemalige Unternehmensberater Thelen, „doch eigentlich fährst du nicht gegen die Uhr, nur gegen dich selbst.“ Bert Vohn will in 33 Stunden am Ziel sein: „Aber das Hauptziel ist, gesund anzukommen.“
Der Streckenrekord auf der West-Ost-Trasse steht übrigens bei 25 Stunden und 16 Minuten.