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„Mauer des Schweigens“: Prozess um Millionenbetrug durch Pflegedienste gestartet

„Mauer des Schweigens“ : Prozess um Millionenbetrug durch Pflegedienste gestartet

Wegen des millionenschweren Betrugs mit Pflegeleistungen müssen sich Manager und Mitarbeiter von Pflegeunternehmen in Düsseldorf vor Gericht verantworten. Ihnen wird bandenmäßiger Betrug vorgeworfen.

Am Montag begann am Landgericht der Prozess gegen sieben Männer und eine Frau im Alter von 39 bis 52 Jahren. Sechs von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Vier von ihnen wird zusätzlich Geldwäsche vorgeworfen.

Die meist ukrainischstämmigen Angeklagten sollen zwischen Januar 2012 und Oktober 2016 in knapp 300 Fällen nicht erbrachte Pflegeleistungen abgerechnet und die Kassen um mehr als 1,5 Millionen Euro betrogen haben. So wurden laut Anklage Pflegebedürftige nur stundenweise von Aushilfen betreut, aber eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Fachkräfte abgerechnet. Die russischsprachigen Patienten seien eingeweiht gewesen und hätten dafür vom Pflegedienst Geld oder Gratisleistungen wie Fahrten zum Arzt, Hilfe im Haushalt oder Dolmetscherdienste kassiert.

Nach Auskunft der zuständigen Staatsanwältin Petra Szczeponik haben drei der acht Angeklagten bereits im Vorfeld die Vorwürfe zum größten Teil eingeräumt. Die anderen haben bislang geschwiegen. Die Anklage umfasst 630 Seiten und wirft den Angeklagten 300 Taten vor.

Aufgeflogen war die Betrugsmasche 2014 durch eine Geldwäscheanzeige in Berlin. Zwei Jahre später schlugen die Fahnder bei einer Razzia zu und nahmen zahlreiche Angeklagte fest.

Damals war auch gegen mehr als 200 Patienten ermittelt worden. Die Verfahren gegen die meist betagten russischstämmigen Menschen seien entweder gegen Geldbuße oder wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, so die Staatsanwältin.

Auch gegen vier Ärzte aus dem Raum Düsseldorf war ermittelt worden. Sie sollten für die Pflegedienste die notwendigen Atteste für die Pflegeleistungen ausgestellt und im Gegenzug ebenfalls kassiert haben. „Wir sind auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.“

In einem früheren Prozess gegen mafiöse Umtriebe in der Pflegebranche waren in Düsseldorf Anfang Februar 2018 neun Angeklagte vom Landgericht zu Bewährungs- und Haftstrafen zwischen zwei und sieben Jahren verurteilt worden.

Bundesweit standen damals 230 ambulante Pflegedienste unter Verdacht, betrügerisch abgerechnet zu haben. Den Sozialkassen sollen durch den Pflegebetrug Schätzungen zufolge jährlich Schäden in Milliardenhöhe entstanden sein. Für den neuen Prozess sind bis April über 50 weitere Verhandlungstage angesetzt.

(dpa)