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Prozess gegen Kraftwerksblockierer von Weisweiler

Prozess gegen Kraftwerksblockierer : Aktivisten rufen Merkel in den Zeugenstand

Fünf Angeklagte zwischen 21 und 36 Jahren möchten das Eschweiler Amtsgericht als Bühne zum Verkünden ihrer politischen Botschaften nutzen. Doch eigentlich geht es um die Blockade des Kaftwerks Weisweiler im Herbst 2017.

Manchmal sind Lieder im Gerichtssaal zu hören. Ein paar Dutzend Klimaaktivisten stehen seit dem frühen Mittwochmorgen vor dem Eschweiler Amtsgericht. Sie müssen draußen bleiben, oben im Saal gibt es nur 24 Plätze für Zuhörer und Journalisten. Der Andrang ist wesentlich größer, das liegt an dem Verfahren, das dort am Mittwochmorgen unter verschärften Sicherheitsbedingungen beginnt. So bleiben viele Menschen unten auf dem Bürgersteig, erwärmen sich an einem Feuerchen, das mit ein paar Holzscheiten entstanden ist. Oben vor dem Jugendschöffengericht geht es um fossile Energie, jedenfalls im weiteren Sinne.

Drei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 21 und 36 Jahren sind angeklagt. Sie sollen am 15. November 2017 das Braunkohlekraftwerk Weisweiler stundenlang blockiert haben. Zu einer Zeit, als in Bonn gerade die Weltklimakonferenz stattfand. Die Förderbänder für die Kohle wurden angehalten, Menschen ketten sich aneinander, andere befestigten sich an den Kohlebaggern. Die Gruppe errichtete ein Dreibein, ein hohes Gestell aus Aluminiumstangen, und befestigte daran ein Banner: „Mach lieber blau statt Tagebau.“ Später feierten die Aktivisten ihren Erfolg, weil es ihnen erstmals gelungen war, ein Kraftwerk stillzulegen.

Staatsanwältin Jana Thevis hat naturgemäß eine andere Sicht der Dinge. Sie hat bei der Aktion Straftaten wie „Störung öffentlicher Betriebe, Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ ausgemacht. Den fünf Angeklagten droht im Fall einer Verurteilung theoretisch sogar eine Gefängnisstrafe.

Zwei Millionen Euro Schadenersatz

Die Gruppe, die sich damals „We shut down“ („Wir schalten ab“) nannte, war mindestens doppelt so groß, aber angeklagt sind nun Martin B., Cornelia W., Ellen G., Niklas R. und Hannes Mike G. Ihre Identität konnte ermittelt werden, auch wenn sie damals alles dafür getan haben, dass sie anonym blieben.

Drei Verhandlungstage sind angesetzt, das große öffentliche und mediale Interesse hängt mit dem derzeit ausgesetzten Zivilprozess zusammen, den Kraftwerksbetreiber RWE anschließend gegen die Blockierer führen will. Der Konzern will erstmals Schadenersatz von Straftätern verlangen, es geht um mehr als zwei Millionen Euro.

Die fünf Angeklagten vor dem Amtsgericht, die alle geringe eigene Einkommen angeben, und ein weiterer Fotojournalist sollen in Regress genommen werden, weil ein Kraftwerksblock stundenlang vom Netz genommen werden und RWE Strom an der Börse dazukaufen musste.

„RWE ist gefährlich für unser Klima“

Die Strategie der Angeklagten am Amtsgericht lässt sich schnell erkennen. Sie reden nicht über die Vorwürfe, die ihnen zu Last gelegt werden. Aber sie reden gerne und ausführlich über ihre Motive. Sie wollen den Prozess politisch nutzen. Mehr als eine Stunde lang tragen die fünf Angeklagten eine abgestimmte Erklärung vor, die überschrieben ist mit: „Warum die Blockade des Kraftwerks Weisweiler gerechtfertigt war“.

In ihrer Logik handelten sie in einer Art Notwehr, der auch illegale Aktionen rechtfertige, um die Klimaschutzziele zu erreichen. „Rechtfertigenden Notstand“ nennen sie es. „Klimawandel macht krank, führt zu Flucht und vernichtet Eigentum. Betroffen sind vor allem Menschen im globalen Süden und zukünftige Generationen, also diejenigen, die die Klimakrise am wenigsten verursacht haben.“

Aus ihrer Sicht ist die Anklagebank falsch besetzt. Durch die Emissionen des Kraftwerks in Weisweiler würden Menschen krank und sogar getötet. „Nicht die Blockade war gefährlich, sondern das RWE ist gefährlich für unser Klima.“ Deswegen feiern die Angeklagten ihre Blockade, weil an diesem Tag 26.000 Tonnen weniger CO2 als üblich ausgestoßen worden seien.

Fachsymposium statt Prozess

„Wir haben so die Klimakrise und ihre schädlichen Folgen zumindest ein kleines Stück weit aufgehalten.“ Aus Sicht der Angeklagten war die Blockade „notwendig, geeignet und angemessen“ – und keinesfalls strafbar.

Geht es nach ihren Vorstellungen, wird aus der Verhandlung ein Symposium. Deswegen haben sie beantragt, einen Philosophie-Professor als Zeugen zu laden, einen Experten und Kinderarzt für Feinstaubbelastung, eine bekannte Klimaforscherin. Zwei Männer aus Mosambik und Tansania sollen über die Klimakatastrophe in ihrer Heimat berichten.

Die Angeklagten beantragen zudem, dass nicht nur der RWE-Vorstand oder Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach als Zeugen geladen werden. Sie möchten auch Ministerpräsident Armin Laschet und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) im Zeugenstand des Eschweiler Amtsgerichts erleben. In ihrer Anwesenheit wollen sie „beweisen“, wie unfähig und ignorant die deutsche Klimapolitik seit Jahren sei.

Am späten Nachmittag will Richter Sven Gießelbach über die Anträge der Angeklagten entscheiden.