Ein abgewählter OB erzählt : Plötzlich ohne Amt und Bürden
Bonn Nach seiner Abwahl muss sich der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan auf ein Leben ohne Amt und Einfluss einstellen. Eine gewisse Bitterkeit ist unüberhörbar. Was jetzt kommt? „Fragen Sie mich in einem Jahr nochmal.“
Der Schreibtisch ist schon leer, die Fotos von seiner Familie sind abgeräumt. Nur noch bis einschließlich Samstag ist Ashok Sridharan Oberbürgermeister der Stadt Bonn. Der CDU-Politiker ist im September in der Stichwahl seiner grünen Herausforderin Katja Dörner unterlegen. Wie manch anderer Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landrat in NRW nimmt er an diesem Wochenende Abschied vom Amt.
Auf dem Gang deutet noch nichts auf die anstehende Veränderung hin. „Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan“ steht auf einem Schild im zwölften Stock des Bonner Stadthauses. Das Hochhaus gilt als schlimmste Bausünde Bonns, doch der Ausblick von hier oben ist spektakulär. Sridharan schwärmt davon, welche Stimmungen er hier erlebt hat - und zeigt dazu die passenden Fotos auf seinem Handy, die er gelegentlich morgens früh gemacht hat: Auf einem Bild ragen nur die Kirchtürme, der Post-Tower und die Gipfel des Siebengebirges aus dem Morgennebel auf.
Eine Digitaluhr an der Wand ist noch von ihm, der Rest ist schon weg. Eine Abschiedszeremonie wird es nicht geben - coronabedingt. Am Montag wird hier einfach seine Nachfolgerin ins Büro kommen.
Fünf Jahre hat Sridharan die 330.000-Einwohner-Stadt regiert. Und sehr gern hätte er noch fünf Jahre weitergemacht. „Insofern ist das schon ein komisches Gefühl, dass das jetzt mit Ablauf des Samstags alles vorbei ist. Die Enttäuschung ist natürlich da, ich würde lügen, wenn ich etwas anderes sagen würde.“
Natürlich müsse man in einer Demokratie immer damit rechnen, bei einer Wahl nur zweiter Sieger zu werden. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt aber, was den Wahlkampf betrifft. „Der Wahlkampf war persönlich verletzend, das muss ich ganz ehrlich sagen.“ In Bad Godesberg wurde der Sohn eines indischen Diplomaten und einer Bonnerin rassistisch beschimpft, er solle dahin gehen, wo er herkomme. „Das war erschütternd“, sagt er. Es sei das erste Mal in 55 Jahren gewesen, dass ihm so etwas passiert sei.
Und dann waren da die Attacken in den sozialen Netzwerken. Er wurde als Schnösel dargestellt, der gern um die Welt jette anstatt sich vor Ort um die Sorgen der Leute zu kümmern. Dieser Vorwurf hat ihn getroffen. „Meine Bürgersprechstunden waren immer ausgebucht, die Leute haben mich auf der Straße angesprochen mit ihren Anliegen, meine Frau ist ehrenamtlich tätig für Arbeitssuchende.“ Im Ausland sei er durchschnittlich weniger als einen Tag im Monat gewesen - für einen UN-Standort wie Bonn sei das eigentlich zu wenig.
Der Wahlkampf hat ihm zugesetzt, das ist unüberhörbar. „Das war eine Erfahrung, die muss ich nur einmal im Leben machen“, sagt er. Natürlich habe er auch Zuspruch bekommen, aufbauende Worte nach seiner Wahlniederlage. „Aber es gibt eben auch viele, die sich nicht gemeldet haben. Man lernt zu schätzen, wer auch nach einer Niederlage noch da ist.“
An was wird er sich am liebsten zurückerinnern? „Ich habe einige ganz besondere Menschen kennengelernt, den Papst zum Beispiel. Aber was mich am meisten beeindruckt hat, waren Menschen, die sich mit ganz persönlichen Anliegen an mich gewandt haben.“ Menschen in privaten Notsituationen, für die er als Oberbürgermeister etwas habe erreichen können.
Sridharan steht auf. Natürlich wolle er auch das Positive sehen, sagt er. Sein jüngster Sohn zieht demnächst aus, da kann er ihm helfen. Was er künftig machen wird, steht noch nicht fest. Er ist 55, zu früh für den Ruhestand. Eigentlich wollte er jetzt erstmal mit seiner Frau wegfahren, aber das geht natürlich nicht - Corona. Auf jeden Fall will er zwei Monate nichts tun.
„Ich bin mal gespannt, wie das in den nächsten Wochen so sein wird. Eine genaue Vorstellung davon hab ich nicht.“ Er lächelt. „Fragen Sie mich in einem Jahr nochmal.“