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Düsseldorf: Opfer im Koma: Bewährungsstrafe für Fahrradwurf aus siebten Stock

Düsseldorf : Opfer im Koma: Bewährungsstrafe für Fahrradwurf aus siebten Stock

Trotz des verheerenden Wurfs eines Fahrrads aus einem Hochhaus hat eine Mutter von drei Kindern das Düsseldorfer Amtsgericht am Freitag auf freiem Fuß verlassen dürfen. Das Gericht verurteilte die 35-Jährige wegen fahrlässiger Körperverletzung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und blieb damit unter den Strafanträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage.

Das aus dem siebten Stock geschleuderte Kinderrad hatte einem zufällig vorbeikommenden Passanten den Schädel zertrümmert. Der junge Mann ist seitdem im Wachkoma und fast vollständig gelähmt.

Es war die Sommernacht des 10. Juli 2005, als ein damals 24-jähriger Türke in der Hochhaussiedlung Ratingen-West spazieren ging. Wie aus dem Nichts traf ihn mit voller Wucht aus 21 Metern Höhe das Kinderrad am Kopf.

Lange Zeit schwebte er in Lebensgefahr, überlebte aber schließlich mit schwersten Behinderungen. Die Polizei durchkämmte das benachbarte Hochhaus und stieß in der siebten Etage auf die spätere Angeklagte und ihren Freund. Sie hätten viel Alkohol getrunken und sich gestritten, gab die Frau zu Protokoll. Als sie dann auf dem Balkon über das Rad gestolpert sei, habe sie es wutentbrannt in die Tiefe geschleudert.

Minutenlang wagte sich die Angeklagte am Freitag nicht in den Gerichtssaal. Beim Prozessbeginn im vergangenen September hatte ein Polizeiaufgebot Tumulte durch Angehörige und Bekannte des Opfers unterbinden müssen.

Doch am Freitag blieb es ruhig, obwohl Amtsrichter Dirk Kruse eingestand, dass „das Urteil der Ehefrau des Opfers kaum zu vermitteln sein wird”. Die Tat habe die Lebensplanung des jungen Paares vernichtet - das Opfer lebt inzwischen in einem Pflegeheim und muss künstlich ernährt werden.

Im letzten Satz der Urteilsbegründung ließ Jurist Kruse sogar anklingen, möglicherweise eine Unschuldige verurteilt zu haben: Sie müsse es mit ihrem Gewissen ausmachen, wenn sie mit ihrem Geständnis nur ihren ihren Lebensgefährten geschützt habe, sagte der Richter. Der Verlobte verfolgte, eine Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen, das Ende des Prozesses von der Zuschauerbank aus.

Der Mann mit Alkohol- und Drogenproblemen war früh in Verdacht geraten: Er stand während der Tat wegen Vorstrafen unter Bewährung und war von einem Sohn der Angeklagten beschuldigt worden. Ihn hätte die ganze Härte des Gesetzes getroffen, wenn die bislang unbescholtene und inzwischen erneut schwangere Sozialhilfe-Empfängerin die Tat nicht auf sich genommen und ein Geständnis nicht frei von Widersprüchen abgelegt hätte.

Wenn es ein Plan war, ging er auf: Das Gericht wollte den ohnehin in schwierigen Verhältnissen lebenden Kindern nicht die Mutter entziehen und beließ es bei der Bewährungsstrafe. Staatsanwaltschaft und Nebenklage prüfen allerdings noch, ob sie Rechtsmittel einlegen.

Zunächst schien sogar unklar, ob die nur 1,52 Meter große Angeklagte das mehr als zehn Kilogramm schwere Rad überhaupt über die 1,10 Meter hohe Balkonbrüstung werfen konnte. Doch Testwürfe am Tatort ergaben, dass die Frau zumindest körperlich dazu in der Lage war. Da ließ sich das Gericht auch nicht mehr davon beeindrucken, dass die Frau unter dem Eindruck der drohenden Gefängnishaft in ihrem Schlusswort ihr Geständnis widerrief und ihre Unschuld beteuerte.