„Orden wider den tierischen Ernst“ : Das Zuschauerinteresse an der AKV-Sitzung schwindet
Aachen Nur 3,14 Millionen Zuschauer haben am Montagabend die AKV-Sitzung „Wider den tierischen Ernst“ aus dem Eurogress gesehen. Auch wenn die Konkurrenz groß war, die Enttäuschung dürfte bei den Verantwortlichen von WDR und AKV entsprechend sein.
Die erste Pointe zündet erst nach drei Minuten und 45 Sekunden. Kein Bernd Stelter, kein Ingo Appelt, kein Wilfried Schmickler steht da auf der Bühne im Aachener Eurogress, sondern die amtierende Justizministerin, Katharina Barley. Als Freiheitsstatue verkleidet macht sie den Türöffner für die Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“.
„Danke fürs Asyl“, sagt sie, „in Bayern hätte ich sicherlich größere Schwierigkeiten gehabt.“ Tusch. Bis dahin sind schon ein paar Minuten vergangen, in denen AKV-Präsident Werner Pfeil den ein und den anderen Ehrengast begrüßt hat. Aachens OB Marcel Philip und „seine liebe Frau“, „unseren Landesvater“ Armin Laschet, ein Minister hier, eine Ministerin dort. Aufstehen, Winken, Klatschen. Das dauert ein bisschen.
Die Fernbedienung nicht weit
Ob sich die Verantwortlichen damit einen Gefallen getan haben? Das Konkurrenzprogramm ist jedenfalls stark an diesem Abend. Und die Fernbedienung liegt in aller Regel nicht weit entfernt. Am Ende Ernüchterung: Lediglich 3,14 Millionen Zuschauer schalten am Montagabend um 20.15 Uhr die ARD ein. Die schlechteste Quote, die WDR und AKV an diesem Sendeplatz je eingefahren haben. Allein seit 2016 hat man über eine Million Zuschauer verloren.
Auch Werner Pfeil gibt sich auf Nachfrage enttäuscht. „Wir sind schon überrascht über die schlechte Quote“, sagt er. Die Veranstaltung sei aus seiner ganz subjektiven Sicht sehr gut gewesen – im Saal wie hinterher im Fernsehen. „Erklären kann ich das nicht. Schade“, sagt er. Was den Präsidenten des Aachener Karnevalsvereins ermutigt, ist die Entwicklung der Zuschauerzahlen im Verlauf der Sendung. Man sei schwach gestartet mit weit unter drei Millionen Zuschauern, habe sich dann aber steigern können auf fast vier Millionen. „Das zeigt, dass am Programm eigentlich nicht gelegen haben kann, sonst hätten die Leute ja abgeschaltet.“
Die Konkurrenz war groß am Montagabend. Günther Jauch mit „Wer mit Millionär“ bei RTL (4,35 Millionen Zuschauer) und dann noch der Start des großen Zweiteilers „Walpurgisnacht“ im ZDF. Ein Krimi vor historischem Hintergrund, der eben auch ältere Semester interessiert haben dürfte (6,19 Millionen).
Beim AKV wurde immerhin das Bühnenbild modernisiert. Das wirkt nicht gerade originell, dabei aber frisch und unaufdringlich. David Lulley und Jens Riewa führen souverän durch die einzelnen Beiträge. Klar, dass nicht alles im Programm bleiben kann. Die Sitzung am Samstagabend hatte gut vier Stunden gedauert. Kurt Christ und Sarah Schiffer fallen mit ihrem „Lennet Kann“ ebenso der Schere zum Opfe, wie der Beitrag von WDR-Radiomoderatorin Steffi Neu. Auch die Öcher Originale und der Auftritt des Ex-Prinzenkorps werden komplett rausgeschnitten und sind am Montagabend nicht zu sehen.
Doch die Mischung, die es bis ins TV geschafft hatte, ist gelungen. Politische Beiträge wechseln mit Zoten, Anekdoten und Tanzeinlagen, dazwischen der kleine und der große Prinz und ein Liedchen der 4 Amigos. Auch die kleinen Schwenks ins Publikum sind unterhaltend. Jürgen Rüttgers ist da (auch nicht jünger geworden), Christian Lindner (ach, das ist seine Neue), Thomas Borer (hatte der nicht auch mal nen Orden bekommen), WDR-Haushaltsexpertin Yvonne Willicks (ich verkleide mich einfach trotzdem) oder Ulla Schmidt (hatte man ja auch schon lange nicht mehr gesehen). Zumindest für die Zuschauer aus dem Westen ist das interessant.
Man muss nicht alles mögen, was da vorgetragen wird. Für Menschen, die dem politischen Karneval etwas abgewinnen können, ist es aber ein durchaus unterhaltsamer Abend. Nur auch diese werden immer weniger. Die Zeiten, in denen sich die Familie bei Käse-Igel und Mettbrötchen vor dem Fernseher versammelt und über die aus der Rolle gefallenen Politiker herzlich lacht, sind lange vorbei. Die Fernsehlandschaft hat sich verändert, sie ist individueller geworden, wie die Gesellschaft eben auch. Das Verbindende schwindet. Das betrifft eben auch den Karneval im TV.
Vieles ist längst Geschichte
Schon in den vergangenen Jahren haben ARD und ZDF darauf reagiert und zahlreiche Sitzungen aus dem Programm genommen. „Frankfurt Helau“ etwa oder „Bütt an Bord“ aus Friedrichshafen. Auch „Karnevalissimo“ und „Mer losse d’r Dom in Kölle“ sind Geschichte.
Und was wird jetzt aus der Sitzung „Wider den tierischen Ernst“? Der Vertrag zwischen AKV und WDR wird neu verhandelt. Immer für zwei Jahre. Unmittelbar nach Karneval sollen die ersten Sondierungsgespräche starten. „Dann wissen wir, wo die Reise hingeht“, sagt Pfeil. Ob die Sitzung weiterhin in der ARD zu sehen sein wird oder vielleicht doch nur noch im dritten Programm, ist offen. „Aber ich gehe mit einem guten Gefühl in die Verhandlungen“, sagt der AKV-Präsident. „Schließlich waren die Programmverantwortlichen ja alle im Saal. Und da haben sie gesehen, dass wir eine tolle Sendung gemacht haben.“