Wenige Tage vor Herbstferien-Ende : NRW-Schulen dringen auf Antworten zur Corona-Lage
Düsseldorf Von Bettina Grönewald, dpa - Wenige Tage vor dem Ende der Herbstferien ist in der Schullandschaft ordentlich Druck im Kessel: Wie geht es weiter nach den Herbstferien? Angesichts ständig neuer Corona-Hiobsbotschaften haben viele Lehrer, Eltern und Schüler ein mulmiges Gefühl.
Angesichts des rasanten Anstiegs der Corona-Infektionszahlen werden in Nordrhein-Westfalen Rufe nach verschärften Schutzmaßnahmen an den Schulen lauter. Immer mehr Lehrerverbände fordern inzwischen offensiv die Wiedereinführung der Maskenpflicht. Nach den Sommerferien war die damals neue Maßnahme von vielen Kritikern noch scharf als Zumutung verurteilt worden.
Zehn Wochen und rund 40 000 Neuinfektionen später weht ein anderer Wind: „Die Zeit drängt“, sagte der nordrhein-westfälische Oppositionsführer Thomas Kutschaty am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) müsse den zurecht besorgten Lehrern, Schülern und Eltern unverzüglich ein Handlungskonzept vorlegen. Dazu gehörten kleinere Lerngruppen, mehr digitaler Unterricht in der Sekundarstufe II und der Einbau von effektiven Raumluftfilteranlagen. Ähnliche Forderungen stellten Lehrergewerkschaften auf.
Die Schullandschaft umfasst in NRW eine beachtliche Kulisse aus rund 2,5 Millionen Schülern und mehr als 200 000 Lehrern an über 5500 Schulen. Viele Lehrer und auch Eltern sind in schlagkräftigen Verbänden organisiert. In der Vergangenheit erwies sich Unmut über Schulpolitik als Sargnagel für manche Landesregierung in NRW.
Die Schulministerin will sich aber nicht treiben lassen. „Die Landesregierung beobachtet das Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen bis zum Ende der Herbstferien sehr genau“, hieß es knapp aus Gebauers Behörde. „Weitere Maßnahmen werden kontinuierlich auf Wirksamkeit und Notwendigkeit geprüft.“
Bislang hat sich die Landesregierung nicht in die Karten blicken lassen, ob es nach den Herbstferien überhaupt neue Vorschriften geben wird. „Es kann jedenfalls nicht sein, dass sie damit wieder erst kurz vor Ende der Ferien um die Ecke kommt und alle Beteiligten im Hauruck-Verfahren reagieren müssen“, meinte Kutschaty.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert neben der Rückkehr zur Maskenpflicht im Unterricht ein Stufenkonzept mit klaren Handlungsanweisungen zu Lerngruppengrößen, Hygiene-Auflagen und einem Wechselmodell aus Lernen in der Schule und von zuhause aus - je nach Infektionslage. In Bayern gebe es das schon seit September, stichelte GEW-Landeschefin Maike Finnern. Ein Wink mit dem Zaunpfahl für NRW-Regierungschef Armin Laschet - der auch CDU-Bundesparteichef und Kanzlerkandidat werden will - im Dauerwettbewerb mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Die Nachrichten über die strikten Ausgangssperren im Landkreis Berchtesgadener Land dürften die Sorgen auch im übrigen Bundesgebiet weiter schüren. Dort müssen angesichts des bundesweiten Spitzenwerts von rund 273 Neuinfektionen, gerechnet auf 100 000 Einwohner und sieben Tage (Stand: Montagabend), jetzt auch Schulen und Kitas geschlossen bleiben.
„Das Letzte, was passieren darf, ist dass die Schulen wieder geschlossen werden“, ermahnte Finnern die Regierung in NRW. Immerhin gehe aus einer Ende September vom Schulministerium veröffentlichten Umfrage hervor, dass jede vierte Schule in NRW sich nicht in der Lage sehe, die Infektionsschutzstandards einzuhalten. „Hier ist dringend Abhilfe erforderlich.“
Derzeit halte sich die Landesregierung nicht an Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) für Schulen, kritisierte Finnern. Das RKI empfiehlt ab der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Neuinfektionen Maskenpflicht im Unterricht mindestens an weiterführenden Schulen - ab der 50er-Schwelle auch für Grundschüler plus Unterricht im Schichtbetrieb in kleineren Klassen. In NRW haben einzelne Schulen die Maskenpflicht aufgrund hoher Infektionswerte bereits wieder eingeführt, an anderen wird auf freiwilliger Basis noch eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen.
Das Ministerium versicherte: „Die Schulen in Nordrhein-Westfalen sind nach wie vor sichere Orte.“ Über 98 Prozent aller Schüler seien bis zum Beginn der Herbstferien im Unterricht gewesen. Schon eine Woche zuvor seien „ausführliche Informationen zum Schulbetrieb in Coronavirus-Zeiten für die kommenden Wochen zur Verfügung gestellt worden“.
In diesen Handreichungen steht etwa: Alle 20 Minuten Lüften und nach jeder Unterrichtsstunde für mindestens fünf Minuten. „Körperkontakt ist zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für Begrüßungsrituale wie Handschlag, Umarmungen oder Wangenkuss.“ Unterricht vor Ort habe „absoluten Vorrang“ vor digitalem Unterricht auf Distanz.
Schulfahrten sind auf Grundlage der Hinweise vom 8. Oktober nach den Herbstferien sogar ins Ausland wieder erlaubt - das Storno-Risiko sei aber groß. Welche Hallen für den Sportunterricht freigegeben werden, entscheiden die Behörden vor Ort. Was das in der Praxis bedeutet, berichtete am Dienstag die Stadt Wuppertal: „Leider gibt es in Wuppertal aktuell 12 Turn- und Sporthallen, die ein entsprechendes Lüften nicht zulassen.“
Kutschaty beklagt ein Handlungsdefizit der Landesregierung: „Draußen stürmt der Corona-Herbstwind, aber im Schulministerium gilt offenbar "Still ruht der See".“ Auch Laschet lasse zu dem Thema nichts von sich hören.