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Nach Erhöhungswellen: NRW fordert Senkung der Strompreise

Nach Erhöhungswellen : NRW fordert Senkung der Strompreise

Der Rückgang der Großhandelspreise kommt bei Strom- und Gaskunden in NRW nicht an. Die Wirtschaftsministerin ermahnt die Versorger. Das Kartellamt bekommt 18 neue Stellen, um schwarze Schafe aufzuspüren.

Die Großhandelspreise für Strom und Gas sinken kräftig: Im Januar kostet eine Megawattstunde Strom 116 Euro, nach 455 Euro im August 2022. Eine Megawattstunde Gas liegt bei 65 Euro, nach 236 Euro im August, so das Vergleichsportal Check24. Doch die meisten Verbraucher haben nichts davon, wie die Verbraucherzentrale NRW beobachtet: „In den Bestandskundenverträgen wie der Grundversorgung werden die gesunkenen Preise mit sehr großer Verzögerung ankommen“, sagt Verbraucherschützer Udo Sieverding.

Das sei einerseits nachvollziehbar, weil Grundversorger auch Preiserhöhungen verzögert weitergegeben hätten. „Andererseits gibt es viele Tarife, die offensichtlich eine beträchtliche Risikomarge einkalkuliert haben. Hier sollten die Stadtwerke mittelfristig die Preise senken.“

Das fordert auch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne): „Mit den fallenden Preisen an den Energiemärkten müssen mittelfristig auch Preissenkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher eintreten“, sagte Neubaur unserer Redaktion. „Wichtig ist jetzt vor allem ein transparenter Umgang mit der Preisgestaltung. Das kann nicht nur dem Verbraucherschutz dienen, sondern auch das Vertrauen zum Versorger stärken.“

Sieverding sieht das Bundeskartellamt in der Pflicht: „Vom Kartellamt erwarte ich, dass sehr schnell einzelne Mondtarife auf den Prüfstand kommen, überzogene Margen einkassiert und an Kunden zurückerstattet werden.“ Hintergrund ist die Sorge, dass Stadtwerke und andere Versorger die Preisbremsen missbrauchen, indem sie die Preise übermäßig erhöhen und sich vom Staat die Differenz zum gedeckelten Preis erstatten lassen. Der Strompreis ist für einen Basisverbrauch auf 40 Cent je Kilowattstunde gedeckelt, der Gaspreis bei zwölf Cent. „Am Energiemarkt wird es immer wie der graue und schwarze Schafe geben“, so Sieverding.

In der Tat rüstet das Kartellamt auf, um betrügerische Versorger aufzuspüren. Der Bund hat es mit der Missbrauchsaufsicht bei Preisbremsen betraut und dafür 18,5 zusätzliche Stellen genehmigt. „Überwiegend werden die aktuellen Preiserhöhungen die Kostenexplosion der Beschaffungspreise des vergangenen Jahres widerspiegeln. Unsere Aufgabe ist es aber, die schwarzen Schafe zu finden“, sagte Kartellamts-Präsident Andreas Mundt unserer Redaktion.

Decken Fahnder einen Subventionsbetrug auf, kann der Versorger zur Rückerstattung der Hilfe und zur Zahlung eines Bußgeldes verpflichtet werden. Bei der neuen Missbrauchsaufsicht gehe es nur mittelbar um den Verbraucherschutz, so Mundt: „Primäres Ziel ist es, zu verhindern, dass Versorger missbräuchlich staatliche Subventionsleistungen in Anspruch nehmen.

Der Anreiz dafür ist offenkundig, da die Kunden ‚nur‘ den gedeckelten Preis zahlen.“ Die Differenz zum hohen Preis bekämen Versorger erstattet und könnten so „in Versuchung geraten, auf Staatskosten Extragewinne einzustreichen“, warnt Mundt. In Richtung Versorger stellt er klar: „Preiserhöhungen sind nur im Rahmen der gestiegenen Beschaffungs- und regulatorischen Kosten wie Netzentgelten erlaubt.“

Die Großhandelspreise für Strom und Gas waren bereits im Dezember kräftig gegenüber August gesunken. Dennoch gab es eine Welle von Erhöhungen: In NRW hätten ab dem 1. Januar insgesamt 98 Stromgrundversorger Preiserhöhungen durchgeführt oder für Februar und März angekündigt, heißt es bei Check24.

Dagegen habe nur ein einziger Versorger den Strompreis zum Jahresanfang gesenkt. Nur etwas besser sieht es beim Gas aus: Hier haben demnach 70 Gasgrundversorger den Preis zum 1. Januar erhöht oder dies für Februar angekündigt. Elf Versorger habe ihre Preise zum Jahresbeginn gesenkt.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, fürchtet, dass nach Lieferstopps von Strom-Discountern wie Stromio 2021 die Wechselbereitschaft der Kunden sinkt: „Der Wechselwillige darf nicht der Dumme sein.“ Zugleich zögen sich viele Stadtwerke aus dem Wettbewerb zurück und seien nur noch auf ihre Kerngebiete reduziert. „Wir müssen den Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt neu organisieren“, sagte Müller in Düsseldorf.