Kriminalität : Neue Sondereinheit gegen Geldautomatensprenger
Düsseldorf Obwohl die Zahl der Geldautomatensprengungen seit Jahren steigt, setzt Herbert Reul erst jetzt eine Soko ein. Die SPD kritisiert den Zeitpunkt.
Um die landesweit gestiegenen Sprengungen von Geldautomaten gezielt zu bekämpfen, hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) eine Sonderkommission eingesetzt. Ziel der sogenannten Soko „Begas“ (Bekämpfung und Ermittlung von Geldausgabeautomaten-Sprengungen) ist es, die bisherigen Ermittlungs-, Fahndungs- und Präventionsansätze zu analysieren und neue Wege zu finden, um Automatensprengungen effizienter zu bekämpfen.
Die im Ministerium angesiedelte Soko Begas ermittelt nicht selbst, sondern prüft, ob die Ermittlungen gut genug sind und was geändert werden müsse, erklärte der Innenminister am Mittwochmorgen. Bisher liefen die Fäden bei der Ermittlungskommission „Heat“ im Landeskriminalamt zusammen, die nicht aufgelöst werden soll, wie Reul auf Nachfrage beteuerte. Die neue Soko auf Ministeriumsebene wurde auch mit dem schnelleren Draht in die Niederlande begründet, von wo die Täter meist kämen. Eines steht schon fest: Die Tatorte sollen fortan genauso akribisch wie Mord-Tatorte von Spezialisten untersucht werden, um keine Spur zu übersehen. „Künftig sollen sich Experten aus allen Disziplinen über jeden Geldautomaten beugen, der gesprengt worden ist“, kündigte Reul an.
Schon seit Jahren gibt es das Phänomen Geldautomatensprengungen. Zuletzt haben diese Taten aber immer weiter zugenommen. Im vergangenen Jahr wurden in NRW laut Ministerium 152 Geldautomaten gesprengt. In diesem Jahr waren es demnach bereits 73 Sprengungen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das mehr als eine Verdreifachung.

Die Brutalität der Täter habe außerdem zugenommen, beklagte Reul. Weil inzwischen statt Gas sogenannter Festsprengstoff genutzt werde, werde immer häufiger „nicht ,nur' der Geldautomat zerstört wird, sondern auch das ganze Drumherum“. Hinzu komme, dass es zunehmend spektakuläre Fluchtfahrten der Täter gebe. In 400-PS-Limousinen – bevorzugt der Marke Audi – könnten die Gangster auf Tempo 270 beschleunigen. Mit Störsendern blockierten sie während der Taten den Mobilfunk in der Umgebung, um eine schnelle Alarmierung der Polizei durch Zeugen zu verhindern.
„Es war bislang pures Glück, dass kein Mensch bei einer Sprengung oder bei einer Verfolgungsfahrt gestorben ist. Ich will handeln, bevor es Tote gibt auch deshalb setzen wir jetzt die Sonderkommission ein.“ Diese hat im April ihre Arbeit aufgenommen und ist zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten angelegt.
Für die Opposition kommt das viel zu spät, schließlich ist das Phänomen nicht neu. Schon 2020 habe es 173 Fälle gegeben, betont die SPD. „Der erhöhte Handlungsbedarf war schon damals klar“, sagte Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag. Es reiche nicht, „kurz vor Ende der Legislaturperiode plötzlich ein Polizeikonzept anzukündigen“, kritisiert er. Kurzfristiger Aktionismus könne über monatelange Versäumnisse nicht hinwegtäuschen. Es sei offenkundig, dass die schwarz-gelbe Landesregierung die hohe Zahl der Geldautomatensprengungen nicht in den Griff bekomme.
Die SPD würde es begrüßen, wenn die Banken und Sparkassen alle technischen Mittel, um die Täter abzuschrecken, nutzen würden. „Neben einer Weiterentwicklung der schon bestehenden Präventionsmaßnahmen der Banken muss insbesondere die Zusammenarbeit mit unseren niederländischen Partnern weiter intensiviert werden“, sagte Wolf. Schließlich agieren viele Kriminelle grenzüberschreitend. Tatsächlich ist die Zahl der Geldautomatensprengungen auch in unserer grenznahen Region sehr hoch.
Der Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Michael Breuer, hatte vor wenigen Tagen bei der Jahresbilanz von steigenden Sachschäden durch die Panzerknacker berichtet. Die Schäden bei einer Sprengattacke seien heute doppelt so hoch wie noch vor fünf Jahren. „Je mehr wir aufrüsten, desto stärker sind die Schäden“, hatte Breuer gesagt.