Auch Nationalpark Eifel : Naturschützer fürchten Besuchermassen wegen Corona
Köln Weil viele Menschen coronabedingt zu Hause bleiben, sind die Naherholungsgebiete überlaufen. Förster und Ranger klagen aber darüber, dass Besucher sich nicht an die Regeln halten. Gefordert werden mehr Kontrollen und höhere Bußgelder.
Selbst stahlmattenverstärkte Zäune haben Unbekannte bei Köln nicht davon abgehalten, in ein privates Naturschutzgebiet einzudringen, um dort baden zu gehen. „Die Zäune wurden nachts mit einer Flex aufgeschnitten“, sagt Holger Sticht, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz in NRW. Sicher ein extremes Beispiel – aber Naturschützer im Land berichten unisono, dass es coronabedingt deutlich mehr Menschen in die Naherholungsgebiete zieht. So verzeichnete der Nationalpark Eifel laut Sprecher Michael Lammertz im Sommer bis zu 59 Prozent mehr Gäste. Einige von ihnen würden sich nicht an die dort geltenden Regeln halten. Das hat Folgen für das touristische Angebot, vor allem aber für die Natur.
Viele seltene Vogelarten hätten in diesem Jahr zum Beispiel nicht brüten können, weil sie gerade an Gewässern von Besuchern gestört wurden, sagt Sticht. Dazu würden Menschen teils gezielt querfeldein marschieren, aus Angst, sich bei anderen Spaziergängern anzustecken. „Da werden in der Fläche Picknickplätze eingerichtet, die dort nichts zu suchen haben“, erklärt Sticht. Durch die Reisebeschränkungen seien plötzlich Menschen zum ersten Mal in der Natur vor der Haustür unterwegs und wüssten nicht, dass es dort Verbote und Gebote gibt. Sticht: „Wir brauchen in den Ordnungsämtern mehr Mitarbeiter, die gezielt in die Naturschutzgebiete gehen und dort kontrollieren.“
Im Nationalpark Eifel hat man deshalb das Personal umgeschichtet. Die Ranger bieten keine Touren mehr an, sondern sorgen an den Bes ucherschwerpunkten dafür, dass die Massen in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Im vergangenen Jahr zählte der Park rund 900.000 Besucher, in diesem Jahr rechnet man mit 1,5 Millionen Menschen. An manchen Tagen mussten Parkplätze wegen Überfüllung geschlossen werden, Ranger leiteten Fahrzeuge um und informierten über Ausweichmöglichkeiten. „Wir haben die Werbung deshalb eingestellt“, sagt Lammertz, „sind in der Öffentlichkeit sozusagen abgetaucht.“
Das heißt aber nicht, dass keine Besucher kommen. Auch in den Herbstferien, meist beste Wanderzeit, wird erheblicher Andrang erwartet. Die Schwierigkeit sei es, die Ströme so zu verteilen, dass die Natur nicht zu Schaden komme. Denn auch im Park trampeln Menschen laut Lammertz abseits der offiziellen Wege herum, zelten wild oder entfachen Grillfeuer und trockenen Nadelbäumen. „Das ist manchmal schwer zu glauben“, sagt der Park-Sprecher. „Dabei stehen an allen 105 Eingängen Infotafeln , in denen die Regeln in vier Sprachen erklärt werden. Das ist nicht zu übersehen, und wir erwarten auch, dass diese eingehalten werden.“
Ähnliche Erfahrungen machen auch die Förster im Land, sagt Michael Blaschke vom Landesbetrieb Wald und Holz. In den Wäldern zähle man ebenfalls bis zu 50 Prozent mehr Besucher, was sich in manchen Regionen auch am „Taschentuch-Index“ ablesen lasse. Heißt: Je mehr benutzte Taschentücher herumliegen, desto mehr Menschen ohne Naturbezug laufen durch die Wälder – sie wüssten offensichtlich nicht, dass es dort keine Toiletten gibt, sagt Blaschke. Diese oft bewirtschafteten Waldbereiche seien aber nicht so hochsensible Lebensräume wie beispielsweise Naturschutzgebiete. Seine Empfehlung an Erholungssuchende lautet daher: Die Wälder nutzen, aber touristische Schwerpunkte meiden, um die Natur nicht zu überfordern.
Lammertz sieht das ähnlich. Er rät Naturliebhabern deshalb, mit Bus und B ahn anzureisen, um die Infrastruktur des Parks zu entlasten. Und sich Wege zu suchen, die nicht so stark begangen werden. Sticht vom BUND ist da rigoroser. Appelle allein würden viele Menschen nicht erreichen; ohnehin denke jeder nur an sich selbst. Eine Bewusstseinsveränderung lasse sich nur durch regelmäßige Kontrollen und erhöhte Bußgelder erzielen, wie es etwa vom Kölner Ordnungsamt in den Naturschutzgebieten rund um die Domstadt praktiziert werde. Auf die anstehenden Herbstferien blickt er mit Sorge: „Ich hoffe auf schlechtes Wetter.“