Kommentar zur Krankenhausreform : Nach der Pandemie droht der Kahlschlag
Meinung Aachen In den ersten Monaten der Corona-Pandemie starben in Deutschland weniger Menschen als bei unseren Nachbarn. Auch, weil es hier mehr Krankenhäuser gibt. Das soll nun anders werden – und darf nicht sein.
Kommt die Krankenhausreform, so wie sie derzeit vom Lauterbach-Ministerium in Berlin in den Raum gestellt worden ist, wird sich die Krankenhauslandschaft in der Region radikal verändern. So sehr man in Berlin nun darum bemüht ist zu betonen, dass alle Ideen derzeit noch Vorschläge seien, ist die Philosophie, die hinter den Planspielen liegt, klar: Eine hochwertige und gleichzeitig feingliedrige, dezentrale medizinische Versorgung ist nicht mehr erschwinglich. Leistungen müssen an weniger Standorten konzentriert werden. Das würde auch in unserer Region zur Schließung einiger Krankenhäuser führen.
Diese Perspektive ist bei genauerer Betrachtung befremdlich bis verstörend. Die Corona-Pandemie ist noch nicht einmal Geschichte, da wird auch schon an einer Krankenhausreform gearbeitet, die die Existenz zahlreicher Einrichtungen infrage stellt. Vor nicht einmal zwei Jahren wurde analysiert, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten in den ersten Monaten der Pandemie weniger Tote verzeichnen musste. Das lag nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Krankenhauslandschaft leistungsfähiger war als die in vergleichbaren Nationen.
Man sollte nicht erst die nächste Pandemie heraufbeschwören müssen, um für den Erhalt der aktuellen Versorgungslandschaft zu werben. Ist doch medizinische Grundversorgung ein wesentlicher Bestandteil für die Lebensqualität einer Gesellschaft. Und da sollte es in Deutschland am Ende nicht nur ums Geld gehen.
Die auf dem Tisch liegenden Pläne sind vor allem getrieben von den Preisen der Hochleistungsmedizin. Sie erzeugen eine Landschaft, in der sich nur noch Zentren mit hoch spezialisierten Einheiten lohnen. Das führt jedoch zu einer gefährlichen Schieflage im gesamten System. Denn der größte Teil der heutigen Patienten in Krankenhäusern sind stationär aufgenommen, weil sie sich banalen Behandlungen für alltägliche Krankheiten unterziehen müssen.
Gerade dieser Aufgabenbereich, mit dem medizinische Einrichtungen kaum noch angemessen Geld verdienen können, macht die eigentliche Qualität des Systems aus. Sei es der entzündete Blinddarm, der gerissene Meniskus oder das Paukenröhrchen, das eingesetzt werden muss: In nächster Nähe gibt es ein Krankenhaus mit Ärztinnen und Ärzten, die eingreifen können, noch bevor es zu einem schwerwiegenderen medizinischen Problem kommt.
In Linnich und Jülich sind jüngst zwei Krankenhäuser in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht. Die Zahl der Geburtsstationen ist deutlich rückläufig, weil sie wirtschaftlich erst ab einer gewissen Größenordnung rentabel sind. Wer die Krankenhäuser in der Region aufmerksam beobachtet, stellt fest, dass eine Phase des Umbruchs längst begonnen hat.
Darauf muss das von Karl Lauterbach geführte Gesundheitsministerium nun folgerichtig auch reagieren. Entscheidend dabei wird sein, wo die Politik den Gesetzen des Marktes die Grenzen aufzeigt. Denn das Gesundheitssystem sollte in erster Linie den Menschen und nicht der Ökonomie dienen.