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Nutztierstrategie zum Tierwohl: Mehr Tierschutz vom Stall bis zum Schlachthof

Nutztierstrategie zum Tierwohl : Mehr Tierschutz vom Stall bis zum Schlachthof

Fast sieben Millionen Schweine werden in NRW gehalten. Künftig soll es den Tieren besser gehen, aber auch die Existenz der Halter gesichert werden. Eine neue Nutztierstrategie ist da, nur noch nicht das Geld für die Landwirte.

Ein gutes Leben für Schweine, eine sichere Existenz für die Betriebe: Die neue Nutztierstrategie für Nordrhein-Westfalen soll den Tier- und Umweltschutz vom Stall bis zum Schlachthof verbessern und zugleich die Zukunft der Landwirte sichern. „Wir wollen den Landwirten neue Perspektiven geben und sie auch motivieren, weiter zu machen“, sagte Agrarministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) am Dienstag in Düsseldorf.

Starten soll das Projekt zunächst mit der Schweinehaltung, weil dort der wirtschaftliche Druck am höchsten sei, sagte Heinen-Esser. In NRW halten mehr als 6800 Schweinehalter und fast sieben Millionen Schweine. Die Zahl der Betriebe geht seit mehreren Jahren zurück, die Zahl der Schweine sank nur leicht.

Die Eckpunkte der Strategie:

Ställe: Das Baurecht und hohe Umweltvorgaben etwa beim Emissionsschutz sind nach Angaben Heinen-Essers Hemmnisse für die Umstellung von Ställen nach Tierwohl-Aspekten. In einem Pilotprojekt der Landwirtschaftskammer NRW sollen „Musterställe“ mit Außenklima, mehr Platz, Licht und Auslauf gebaut werden. Die Landesregierung unterstützt die neuen Stallkonzepte mit zwei Millionen Euro.

Finanzierung: Wie modernisierungswillige Schweinehalter den Umbau ihrer Ställe letztlich finanzieren sollen, ist einer der größten Knackpunkte der neuen Strategie. Die Frage sei noch offen, sagte Heinen-Esser. Sie wolle in den kommenden sechs bis acht Monaten Vorschläge erarbeiten lassen. Dass die Verbraucher bereit seien, mehr Geld für Fleisch aus tierwohlgerechter Haltung zu bezahlen, glaubt Heinen-Esser nicht. Sie sei aber gegen Vorschläge wie eine „Fleischsteuer“ oder Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Datenbank Tiergesundheit: Eine zentrale Tierdatenbank beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) soll ab 2020 Informationen zur Gesundheit der Tiere bündeln und als Frühwarnsystem für Risikobetriebe dienen. Das Projekt soll mit 900.000 Euro finanziert werden. Die Datenbank soll die amtliche Überwachung, Befunde aus Schlachthöfen, Transportkontrollen und die verpflichtenden Eigenkontrollen der Tierhalter miteinander verzahnen. Gibt es Auffälligkeiten, sollen die zuständigen Kreise informiert werden.

Videoüberwachung: Schlachthöfe sollen künftig mit Video überwacht werden. Dies ist allerdings derzeit eine freiwillige Vereinbarung, weil es noch keine bundesweite Regelung gibt. Und erst zwei Großschlachthöfe in NRW haben laut Ministerium bisher Kameras installiert. Insgesamt gibt es in NRW 400 zugelassene Schlachtstätten vom Kleinstbetrieb bis zu etwa einem Dutzend Großschlachthöfen. Fleischwirtschaft und Landkreistag sollen sich verpflichten, für Kameras in Schlachthöfen zu werben. Heinen-Esser hofft, dass in einem Jahr 60 bis 70 Prozent der Schlachtbetriebe mit Kameras ausgestattet sind.

Kontrollen: Zwar ist die Zahl der Veterinärkontrollen laut Ministerium in den vergangenen Jahren gestiegen. Aber das reiche nicht aus, sagte Staatssekretär Heinrich Bottermann. Zwar könne das Ministerium den Kreisen nicht vorschreiben, wie viel Personal sie für Kontrollen einsetzen. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden sollen effektivere Überwachungsstrategien erarbeitet werden. Das gelte besonders für sensible Bereiche wie das Entladen, Betäuben und Entbluten der Tiere. „Wir werden auf Durchsetzung beharren“, sagte Bottermann.

Tierschutzbeauftragter: Ein Tierschutzbeauftragter soll ab 2020 mit eigener Stabsstelle direkt bei der Ministerin angesiedelt werden. Der oder die politisch unabhängige Beauftragte soll auch eine Vermittlerrolle zwischen Politik, Verwaltung, Umwelt- und Tierschutzverbänden einnehmen.

Tiertransporte: Im Frühjahr hatte das Ministerium bereits angeordnet, dass Tiertransporte in Drittstaaten nur abgefertigt werden dürfen, wenn es zuvor verlässliche Angaben zu Routen, Versorgung und Temperaturen gibt. Auf Vorschlag von NRW haben die Agrarminister auch einem Antrag zugestimmt, wonach bei Temperaturen von mehr als 30 Grad auch innerstaatliche Transporte auf deutlich unter acht Stunden begrenzt werden müssen.

Reaktionen: Nach Ansicht der Grünen bleiben die Eckpunkte für die Nutztierstrategie weit hinter den Erwartungen zurück. Sie enthielten lediglich „sehr zarte Ansätze und unkonkrete Gedankenspiele“, erklärte Norwich Rüße, Sprecher der Landtagsfraktion für Landwirtschaft, Natur- und Tierschutz. Heinen-Esser lege weder eine Zielperspektive noch einen Zeitplan für den Umbau der Ställe vor und mache keine Vorschläge zur Finanzierung.

(dpa)