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Handel mit Kokain: Mafia-Prozess wird nach Corona-Zwangspause fortgesetzt

Handel mit Kokain : Mafia-Prozess wird nach Corona-Zwangspause fortgesetzt

Ob ein Groß-Prozess gegen die Mafia mit 14 Angeklagten und 40 Anwälten während der Corona-Pandemie möglich ist, muss sich noch erweisen. Am Montag nahm das Verfahren erstmals Fahrt auf.

Trotz Coronavirus-Pandemie und störungsanfälliger Mikrofonanlage hat der Prozess gegen mutmaßliche Mafiosi der derzeit mächtigsten Mafia-Gruppe der Welt in Düsseldorf Fahrt aufgenommen. Am Montag konnten die Staatsanwälte im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts endlich die Anklage gegen die 14 Angeklagten verlesen. Diese kommen zum Teil aus San Luca, einem 3500-Seelen-Dorf in Kalabrien, das als Keimzelle der mächtigen 'Ndrangheta gilt, die große Teile des weltweiten Kokainhandels kontrollieren soll.

Die italienischen Angeklagten sollen Mitglieder oder Unterstützer der Mafia sein, den Kokainhandel abgewickelt, Schusswaffen besessen und Steuerhinterziehung begangen haben. Auf das Konto einer Feindschaft zweier 'Ndrangheta-Clans gingen auch die sechs Mafia-Morde in Duisburg 2007. Inzwischen hätten die einst verfeindeten Clans aber „Burgfrieden geschlossen“ und die Zusammenarbeit aufgenommen, berichteten die Duisburger Staatsanwälte.

Sie gaben einen Einblick in das – so wörtlich – „System Mafia & Co. KG“. So gebe es bei der Abwicklung des internationalen Kokainhandels erhebliche Fixkosten, die die Beteiligten aufbringen müssten, so die Staatsanwälte: etwa für das Einbringen und Entnehmen der Drogen in Überseecontainern großer Seehäfen, aber auch für die Verteilung kleinerer Mengen in den Absatzgebieten Europas: So seien Tarnfirmen gegründet worden, deren Fuhrpark mit eingebauten Drogenverstecken durch die Gegend fuhr, die aber sonst keinem legalen Geschäftszweck nachgingen.

„Broker“ inspizierten Ware und Lieferanten in Südamerika und gäben dann grünes Licht für die Geldzahlungen aus Europa. Eiscafés und Restaurants dienten als Logistikstandorte.

Weil sie knapp bei Kasse waren, hätten sich die Mafiosi bei den mitangeklagten türkischstämmigen Verdächtigen sechsstellige Geldsummen gegen erhebliche Zinsen geliehen, um die Drogentransporte zu finanzieren. Unter den Geldgebern sei auch ein Rechtsanwalt gewesen.

Weil immer wieder einzelne Lieferungen den Behörden in die Hände fielen, sei es aber zu Zahlungsausfällen gekommen, was zu Auseinandersetzungen und Misstrauen zwischen beiden Gruppen geführt habe.

Die türkische Gruppe habe dabei sogar heimlich Peilsender in Kurierwagen gebaut, um die Lieferungen zu kontrollieren. In Italien habe aber ein Mafioso bereits als Kronzeuge mit den Ermittlern kooperiert, außerdem seien die Drogengroßhändler an verdeckte Ermittler der Polizei geraten, die als Abnehmer größerer Mengen Kokain auftraten.

Die Mafiosi hätten sogar damit experimentiert, Kohle und Kokain zu verflüssigen und als Gemisch nach Europa zu bringen, um das Kokain dort wieder chemisch zu trennen. Dafür sei eigens bei einem Duisburger Notar ein Kohle-Handelsunternehmen gegründet worden.

Vor den Kokainlieferungen sei jeweils immer eine Testlieferung ohne Drogen nach Europa geschickt worden. So habe eine Lieferung Kohle im Hamburger Hafen unbeanstandet den Zoll passiert.

Der Mafia-Prozess konnte am Montag erst nach Corona-Schnelltests und einer ärztlichen Untersuchung der drei Staatsanwälte fortgesetzt werden. Die Tests seien negativ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter.

Einer der drei Staatsanwälte war am Montag während der Verhandlung plötzlich abberufen worden, weil er bei einer Durchsuchungsaktion in der vergangenen Woche mit einem Polizisten in einem Auto gesessen hatte, der später positiv auf das Coronavirus getestet worden war.

Mehrere der 40 Verteidiger protestierten daraufhin gegen die Fortsetzung des Prozesses: „Da kann man hier nicht einfach so weitermachen.“ Der Prozess mit rund 150 bis 200 Menschen im Verhandlungssaal dürfe kein „Superspreader-Event“ werden. Das Gericht hatte daraufhin die Untersuchung der Staatsanwälte veranlasst.

Der Prozess des Duisburger Landgerichts war gerade erst nach einer Zwangspause wieder aufgenommen worden, weil einer der Angeklagten eine Corona-Quarantäne abwarten musste. In dem Verfahren geht es unter anderem um Handel mit insgesamt 680 Kilogramm Kokain. Es findet aus Sicherheitsgründen im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts in Düsseldorf statt.

Die Angeklagten im Alter von 31 bis 56 Jahren müssen sich neben dem dem Hauptvorwurf des Drogenhandels in unterschiedlicher Zusammensetzung wegen der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Betrug, Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Waffengesetz verantworten. Das Gericht hat für den Mammutprozess 90 Verhandlungstage angesetzt.

(dpa)