Belgischer Soldat führt durch Vogelsang : Lockere Tour durch die Geschichte
Schleiden Der pensionierte belgische Soldat Luc Bruylandt führt Besucher über das Gelände der einstigen Ordensburg Vogelsang. Als Logistik-Offizier war er auf Vogelsang enst selbst dafür zuständig, die Gebäude in Schuss zu halten - für die Soldaten anderer Nato-Streitkräfte, die später den Truppenübungsplatz nutzten.
„Ich bin Belgier, tut mir leid“, sagt Luc Bruylandt, „die nächsten anderthalb Stunden werden Sie mit mir leben müssen.“ Am Ende hat seine Besuchergruppe sehr gut mit ihm gelebt. „Das hat viel Beifall gefunden, die vielen Anekdoten sind bei den Kollegen gut angekommen“, lobt Christoph Bräunl. Der Schulleiter des Städtischen Gymnasiums Leichlingen war mit seinem Kollegium besagte anderthalb Stunden in Bruylandts Kielwasser über Vogelsang IP gezogen und hatte dabei viel gelacht.
Dabei lädt der Ort nicht unbedingt zu Heiterkeit ein: NS-Ordensburg, Wehrmachtskaserne, nach dem Krieg Truppenübungsplatz, bis 2005 vom belgischen Militär betrieben. An dem Ort, der seit der Eröffnung des „Forum Vogelsang Internationaler Platz“ vor drei Jahren rund 300.000 Touristen jährlich anzieht, wurde früher viel geschossen, geschwitzt, gefroren und anderweitig gelitten. Aber immerhin mit einer überwältigenden Aussicht.
Verwöhnter Führungsnachwuchs
„Hier oben saßen die ‚Junker‘ im Speisesaal und guckten über die Berge und den See“, erzählt Referent Bruylandt. Die jungen Burschen von Anfang 20, die ab 1936 von den Nazis zu Führungskräften geformt werden sollten, wurden noch gehätschelt. Im „Burgkeller“ auf Vogelsang gab es einen Billardtisch und eine Kegelbahn samt Haustelefonanschluss für die Getränkebestellung der jungen Herren, die auch sonst von dienstbaren Geistern umschwirrt wurden. „Das war keine Kaserne“, erklärt Bruylandt, die jungen Männer hätten für die Verwaltung jener Gebiete ausgebildet werden sollen, die das beginnende Tausendjährige Reich noch zu erobern gedachte.
Dafür wurde zwischen 1934 und 1936 dieser Luxusbau mit beheiztem Hallenbad und edlen Eichenholzböden nebst sonstigem teuren Schnickschnack in die damals arme Eifel gerammt. „Der Architekt hieß Clemens Klotz“, sagt Bruylandt, „der hatte seinen Namen auch nicht gestohlen.“ Vollständig verwirklicht wurden seine Pläne nie. Mit Kriegsbeginn endete der Lehrbetrieb auf Vogelsang, die meisten Junker marschierten in den Heldentod und die Ordensburg wurde Truppenquartier der Wehrmacht.
Bei Luftangriffen der Alliierten wurden einige Gebäude zerstört, danach haben laut Bruylandts Erzählungen die Eifeler der Anlage zugesetzt: Das Dorf Wollseifen war im Krieg übel zugerichtet worden, es fehlte Material für den Wiederaufbau, „und dann stand da diese unbewachte Ordensburg...“
Lange währte die Freude der Wollseifener nicht. Das britische Militär gründete 1946 den Truppenübungsplatz Camp Vogelsang, bezog ein 6354 Hektar großes Gebiet und das Dorf mit ein und teilte den Bewohnern mit, dass sie ihre Häuser räumen müssten, weil diese als Beschussziele gebraucht würden. 1950 übernahmen dann die belgischen Streitkräfte das alles. „Die fragten sofort, wo sie denn Häuserkampf üben könnten“, erklärt Bruylandt, „und dann zeigte man auf den Kirchturm von Wollseifen.“ Allerdings mussten die Belgier erst wieder ein paar Häuser bauen, um sie umkämpfen zu können, weil die Briten nicht viel übriggelassen hatten.
Nicht nur mit Kulissenhäusern bereicherten die belgischen Streitkräfte die Eifel, sondern auch mit einem Kino mit rund 1000 Plätzen. „Da merkten die Eifeler: Die Belgier bleiben hier länger“, sagt Bruylandt. Letztendlich sind es 55 Jahre geworden, die letzten 18 davon hat er selbst auf Vogelsang miterlebt. Als Logistik-Offizier war er unter anderem dafür zuständig, die Gebäude in Schuss zu halten für die Soldaten anderer Nato-Streitkräfte, die später den Truppenübungsplatz nutzten.
Daher weiß Bruylandt auch, dass „Soldaten offenbar an der Zimmerdecke laufen können“. Die mussten immer wieder neu gestrichen werden, „weil da oben Stiefelabdrücke von Nato-Soldaten aus aller Herren Länder waren“. Wie sie dorthin kamen, weiß er nicht, dabei kennt er den Alltag beim Militär sonst recht gut: Märsche bei Schnee oder Regen im Schlamm über die zugigen Eifelhöhen im Winter, im Sommer die Staubwolken der Kettenfahrzeuge („wenn die vorbeifuhren, konntest Du eine Weile nichts mehr sehen“) und all jene Programmpunkte, mit denen Streitkräfte überall ihre Leute beschäftigen.
„Langeweile und Soldaten – das geht nicht zusammen“, meint Bruylandt. So habe man dafür gesorgt, dass sie nach Feierabend „steintot ins Bett fielen“. Das Filmprogramm im Kino hätten viele gar nicht mitbekommen. „Sobald die Lichter ausgingen, schliefen die ein.“
Allerhand Geschichten kann der Referent erzählen, etwa von den Strohsäcken, auf denen die Soldaten anfangs noch schliefen, was sich nicht gut vertrug mit der letzten Zigarette am Abend, weshalb Unteroffiziere nachts Wache schieben mussten, wozu sie mit dem Fahrrad über die langen Flure fuhren und an den Stubentüren nach eventuellem Rauch schnupperten, ihnen oft der Duft ungewaschener Socken… Oder vom Speiseplan der belgischen Armee („drei Mal pro Woche Fritten, sonst hätte es Revolution gegeben“).
Bruylandt macht es locker, gestenreich, mit einem Sinn für Komik – und er macht es gerne. Die Führungen seien sein Hobby, sagt der 64-Jährige, dafür reist er immer wieder aus Hasselt an. Man treffe alte Kameraden – außer ihm sind noch zwei weitere ehemalige belgische Vogelsang-Soldaten als Referenten tätig – und rede über alte Zeiten.
Kein Sprachenstreit
Der sonst in Belgien gepflegte Sprachenstreit bleibe dabei außen vor. Damals seien die wichtigen Befehle auf Französisch und Niederländisch erteilt worden, die zivilen Angestellten aus der Region hätten Deutsch gesprochen, und die Verständigung habe mit einer Mischung aus allem funktioniert. „Wir sprachen ‚Vogelsangs‘, das haben alle verstanden“, erzählt Bruylandt.
Vielleicht sollte der Flame, der Führungen auf Deutsch, Englisch, Niederländisch und Französisch hält, auch dieses Vogelsangs noch ins Programm aufnehmen.