Merkel-Loyalität auf dem Prüfstand : Laschets Doppel-Zwickmühle bei der CDU-Kandidatenkür
Düsseldorf Wahlen werden in NRW gewonnen. Gilt diese alte Weisheit auch für die Merkel-Nachfolge an der CDU-Spitze? Zwei Alphatiere aus NRW wollen es machen. Wie positioniert sich Laschets NRW-CDU jetzt?
Armin Laschet ist in einer doppelten Zwickmühle. So jedenfalls sieht es der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Prof. Stefan Marschall. Laschets multiples Dilemma: Im Wettbewerb von Friedrich Merz und Jens Spahn um die Nachfolge von CDU-Chefin Angela Merkel muss der NRW-Vorsitzende den mitgliederstärksten Landesverband vor einer Zerreißprobe bewahren, seine bislang eiserne Merkel-Loyalität auf den Prüfstand stellen und eigene Ambitionen auf Eis legen. „Nicht einfach für Laschet“, bilanziert Marschall. Jedenfalls reichlich Zündstoff für die Sitzung des CDU-Landesvorstands am Dienstagabend in Düsseldorf.
Sowohl Gesundheitsminister Spahn als auch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz gehören zur NRW-CDU - beide mit deutlich konservativerem Profil als Merkel und Laschet. Der CDU-Landeschef ist jetzt vor allem als Moderator gefragt. Allerdings ist kein Geheimnis, dass er Spahn nicht gerade herzlich zugetan ist. Merz hingegen machte er zu seinem Brexit-Beauftragten und boxte ihn als Aufsichtsratschef am Köln/Bonner Flughafen durch.
Was die Lage noch komplizierter macht: Laschet steht politisch durchaus der dritten aussichtsreichen Bewerbung, Annegret Kramp-Karrenbauer, nahe. Die Saarländerin habe in NRW ihre Anhänger, stellt der Chef des einflussreichen CDU-Bezirks Ruhrgebiet, Wirtschaftsstaatssekretär Oliver Wittke, fest: „Und nicht wenige.“
Für Laschet ist die Lage misslich
Wittke wird am Dienstag bei der Landesvorstandssitzung dabei sein, bei der die NRW-CDU ihre Kandidaten für die Führungsspitze nominiert - vom Vize bis zu den Beisitzern. Eine Festlegung auf einen Wettbewerber für den Parteivorsitz hält Wittke aber für ausgeschlossen. „Das wäre töricht“, sagte er der dpa. Den Wettbewerb müsse die Partei „sportlich nehmen.“ Auch aus Marschalls Sicht würden Vorentscheidungen „zu Verwerfungen führen.“
Für Laschet ist die Lage misslich: Der 57-Jährige wurde von den Ambitionen der beiden konkurrierenden Alpha-Tiere Merz und Spahn überholt. Hätte er als dritter Bewerber aus NRW seinen Hut in den Ring geworfen, wäre der Kannibalisierungseffekt bei den Delegiertenstimmen des Bundesparteitags im Dezember umso größer gewesen.
Dabei hat Laschet, der jahrelang hart für seinen Aufstieg in der Partei kämpfen musste, durchaus Ehrgeiz für mehr. Bei Niederlagen im Wettbewerb um diverse Parteiämter hat der Aachener Bergmannssohn aber bewiesen, dass er warten kann, bis seine Chance kommt.
Offiziell begründete er seinen Verzicht auf eine Kandidatur mit der Unvereinbarkeit des Ministerpräsidentenamts mit dem Bundesparteivorsitz, der ja nun vom Kanzleramt getrennt werde. Er schob aber ausdrücklich hinterher: „Bei anderen Konstellationen muss man neu nachdenken.“ Eine definitive Absage ans Kanzleramt hört sich anders an - etwa so wie bei seiner Amtsvorgängerin Hannelore Kraft (SPD), die 2013 auf dem Höhepunkt ihrer Popularität sagte, sie werde „nie, nie als Kanzlerkandidatin antreten“.
Laschet als „Brückenbauer“
Laschet zählt zum liberalen Flügel der CDU - vor allem in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Mit der FDP regiert er geschmeidig. Lange wurde er zudem als „Brückenbauer“ zu den Grünen gehandelt - ein Verhältnis das sich zuletzt auch über den Braunkohlekonflikt merklich abgekühlt hat. Die Chefin der Grünen-Landtagsfraktion in NRW, Monika Düker, attestiert ihm inzwischen, nur noch „Ministerpräsident auf Abruf“ zu sein und sich „den Sessel in Berlin warmzuhalten“.
Laschet selbst hat bereits vor einem Rechtsruck seiner Partei unter einer neuen Führung gewarnt. Sowohl unter Merz als auch unter Spahn eine durchaus realistische Perspektive, allerdings mit Risiken und Nebenwirkungen, meint Prof. Marschall. „Wenn die CDU nach rechts rückt, um der AfD wieder Wähler abzunehmen, kann sie gleichzeitig in der Mitte verlieren.“ Zudem sei das schwierig. „Die AfD ist jetzt in 16 Landtagen und im Bundestag. Sie ist in einer so robusten Situation - einfach 'rüber zu rutschen, wird nicht funktionieren.“
Auch Wittke mahnt, der neue CDU-Chef müsse die CDU so breit aufstellen, dass Wähler nicht nur von der AfD, sondern auch von den Grünen zurückgeholt würden. Gesucht werde eine Persönlichkeit, „die integrativ nach innen und nach außen wirkt und uns breit aufstellt - von konservativ bis zur christlichen Sozialethik“. Er will von den Bewerbern auch wissen: „Was machen Sie, wenn sie nicht gewählt werden? Ich erwarte, dass alle weiter ihren Beitrag leisten.“