Aachen : Beil-Mord in Bulgarien: Aachener Gericht spricht Witwe frei
Aachen Verärgert zeigten sich die Strafverteidiger Professor Ulrich Sommer und Klaus Hindelang am Montag. Verärgert auf eine Strafjustiz, die ihre Mandantin, die 47-jährige Julia S. aus Eschweiler, beinahe ein ganzes Jahr lang im Gefängnis belassen hatte - mit dünner Beweislage, wie die Kölner Promi-Anwälte finden.
Zu spät habe die Aachener Schwurgerichtskammer am Montag ihre Mandantin von dem Vorwurf freigesprochen, ihren Liebhaber zur Tötung ihres Mannes angestiftet zu haben. Überhaupt hätte es erst gar nicht zu diesem Prozess vor der Kammer unter Vorsitz von Richter Roland Klösges kommen dürfen, bekräftigte Sommer unmittelbar nach dem Urteil.
Dann nahm er die Aachener Staatsanwaltschaft ins Visier. Sie hätte bei der ursprünglich verfügten Einstellung der Ermittlungen gegen Julia S. bleiben müssen, anstatt die Witwe erneut zu beschuldigen.
Die Geschichte vom Mord am Bundeswehrbeamten Wolfhard S. aus Eschweiler liest sich wie ein Krimi. Der damals 48-jährige Bundeswehrangestellte, der in Düsseldorf als Bauingenieur Projekte plante, wurde Anfang September 2015 von dem Liebhaber seiner Ehefrau erschlagen. Im bulgarischen Urlaubsort Varna am berühmten „Goldstrand“ tötete der 42-jährige Andrey T. sein Opfer brutal von hinten mit mehr als 50 Beilhieben in seinem Hotelzimmer. Das Motiv soll Habgier gewesen sein. Der vermögende Ehmann habe sich scheiden lassen wollen, das habe das Liebespaar nicht zulassen wollen.
Eine Aachener Schwurgerichtskammer verurteile Andrey T. im Dezember 2016 wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Der Mann, der selbst aus Varna stammt, bestreitet bis heute die Tat. Im Prozess bezeichnete er den Ermordeten als seinen Mentor und Freund. Die Kammer formulierte damals bereits die Annahme, dass die Witwe - und Geliebte des Täters - die Anstifterin des Verbrechens sei. Julia S. kam unmttelbar in den Fokus der Ermittlungen, auch weil sie widersprüchliche Angaben gemacht hatte und offensichtlich sogar log.
Immer wieder war im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder erörtert worden, wie das Trio locker gemeinsam in Eschweiler lebte. Wolfhard S. führte eine offene Ehe, auch er ging fremd, beide Ehepartner wollten die Ehegemeinschaft aber nicht auflösen. Auch Täter Andrey T. war verheiratet, hatte in Varna eine Ehefrau und eine Tochter. Er arbeitete in der Raststätte Aachener Land als Putzkraft und schickte regelmäßig Geld nach Hause.
Unmittelbar nach dem Mord an Wolfhard S. im Urlaubshotel in Varna — der Liebhaber befand sich zur gleichen Zeit in seiner Heimatstadt — wurde die Witwe im Herbst 2015 festgenommen, später aber wieder auf freien Fuß gelassen. Mitte Februar 2017 wurde sie erneut verhaftet und der Prozess eingeleitet.
Für den Vorsitzenden der jetzigen Schwurgerichtskammer, die am Montag über Julia S. entschied und ihr am Ende sogar eine staatliche Entschädigungsleistung zubilligte, gab es eine Reihe von Argumenten, die für und etliche, die gegen eine Mittäterschaft sprachen. Letztlich hätten diejenigen „gegen eine Täterschaft“ überwogen, so Klösgen. Also gab es den Freispruch. Julia S. hatte wie Andrey T. jegliche Tatbeteiligung geleugnet.
Gegen Andrey T. sprachen allerdings DNA-Spuren im Mordzimmer des Hotels. Sie seien jedoch, erklärte Anwalt Sommer am Montag, inzwischen ebenfalls umstritten. „Die Hypothese vom Täter Andrey T. ist für mich nicht zu halten“, sagte der Kriminologie-Professor. Es gebe DNA-Spuren einer weiteren Menschen im Zimmer, ein anderer als Täter sei nicht ausgeschlossen. Was bleibe sei, dass „unsere Mandantin ein Jahr unschuldig in U-Haft saß“, sagte Sommer. Julia S. ist bereits seit einigen Wochen wieder auf freiem Fuß.