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Kronenbrot-Insolvenz: Nächster Schlag für Mitarbeiter

Insolvenzverfahren angelaufen : Der nächste Tiefschlag für die Kronenbrot-Mitarbeiter

An schlechten Nachrichten hat es für die nun ehemaligen Mitarbeiter von Kronenbrot nicht gemangelt. Die Großbäckerei meldete erneut Insolvenz an, der Betrieb wurde an allen Standorten eingestellt. Und nun zeichnet sich ab, dass fast 1000 Mitarbeiter auch im Insolvenzverfahren leer ausgehen.

Zu den ungelösten Fragen bei der insolventen Großbäckerei Kronenbrot gehört auch die: Warum wurde die Insolvenz an einem kleinen Amtsgericht in Essen angemeldet, obwohl es dort überhaupt keinen Produktionsbetrieb gibt? Dort in Essen jedenfalls fand hinter verschlossenen Türen am Dienstag die erste Gläubigerversammlung statt.

Insolvenzverwalter Biner Bähr erstattete dem zuständigen Rechtspfleger und den Gläubigervertretern mündlich Bericht. Den Betrieb hat er bereits geschlossen und die Aussicht der Gläubiger auf eine Entschädigung ist nahezu aussichtslos. Nach Informationen unserer Zeitung sind mehr als 20 Millionen Euro zur Insolvenz-Tabelle angemeldet worden.

Einige der Forderungen gelten noch als strittig, keine Einwände gibt es bei den Forderungen der entlassenen etwa 1000 Mitarbeiter der Standorte Witten, Köln und Würselen. Indes: Es gibt keine Masse, um sie zu entschädigen. Für die Mitarbeiter ist das der nächste Schlag in die Magengrube: Vor mehr als zwei Jahren hatten sie Gehaltseinbußen akzeptiert, um zur Sanierung des maroden Unternehmens beizutragen.

Statt der angestrebten Sanierung folgte aber die nächste Insolvenz und kurz darauf sogar die komplette Schließung der Produktion zum 31. Juli dieses Jahres. Fast 1000 Mitarbeiter landeten auf der Straße und somit beim Arbeitsamt, das nun ihr Arbeitslosengeld anhand der reduzierten Bezüge in den letzten Jahren berechnen muss. Und jetzt müssen sie erfahren, dass es vermutlich nicht einmal eine minimale Entschädigung geben wird.

Erfahrungsgemäß ziehen sich Insolvenzverfahren über Jahre hin, an deren Ende dann die Gläubiger mit einer kleinen Quote „befriedigt“ werden. Die Hoffnung darauf scheint auch bei einigen Lieferanten schon geschwunden sein. Beim ersten Termin am Amtsgericht fehlten die meisten Gläubiger mit ihren Rechtsvertretern. Zu aussichtslos erscheint die Lage.

Öffentlich äußert sich Biner Bähr weiterhin nicht, auf Anfragen reagiert er nicht. Am Amtsgericht Essen ging er nach Informationen unserer Zeitung die Kronenbrot-Chronik der letzten Jahre durch, kritisierte vor allem die fehlende Investitionsfreude der vormaligen Geschäftsführer, die die Entwicklung verschlafen hätten, bis sie nicht mehr konkurrenzfähig waren.

Schon vor drei Jahren meldete Kronenbrot erstmals Insolvenz an. Damals schieden die Eigentümer Lothar und Wolfgang Mainz aus der Geschäftsführung aus, waren anschließend noch eine zeitlang bezahlte Mitarbeiter. Bähr machte nicht nur strukturelle Defizite bei Kronenbrot aus, auch die neuen Besitzer hätten wenig Branchenkenntnisse mitgebracht.

Anfang 2017 übernahm der Londoner Fonds Signal Capital den Betrieb. Gebäude, Grundstücke, Fuhrpark und Maschinen wurden in eine in Luxemburg beheimatete Holding ausgelagert, die von der neuerlichen Pleite nicht betroffen ist. Auf die werthaltigen Vermögenswerte hat der Insolvenzverwalter entsprechend keinen Zugriff.

Die Mutterfirma in Würselen hatte Grundstücke, Maschinen und den Fuhrpark monatlich für 400.000 Euro bei Signal Capital gemietet. Im Gegenzug hatte der Fonds die Firma Kronenbrot regelmäßig mit Gesellschafter-Darlehen angeschoben. Die Fonds ist nun auch der größte Gläubiger in dem Verfahren.

Die betroffene Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten hatte schon beim Einstieg der unbekannten Geldgeber ihre generellen Vorbehalte gegen „Heuschrecken“-Investoren geäußert. Einfluss hatten solche Bedenken nicht.

In den letzten Wochen der Firmengeschichte hatte Insider den Verdacht geäußert, dass das Unternehmen gezielt gegen die Wand gefahren worden sei. Der Fonds habe nun freie Hand, die lukrativen Grundstücke zu veräußern.

Die Partei „Die Linke“ stuft unterdessen die Entwicklung als „Skandal“ ein und fordert die NRW-Regierung zum Handeln auf. „In Zeiten, in denen der Staat in Windeseile einen Überbrückungskredit in Höhe von mehr als 380 Millionen Euro für die von der Thomas Cook-Pleite betroffene Airline Condor bereitstellen kann, ist es weder zu verstehen noch hinnehmbar, dass die Beschäftigten eines der größten Backwarenhersteller NRWs im Regen stehen gelassen werden", sagt Landessprecherin Inge Höger.

Die Landesregierung sei gut beraten, den Kronenbrot-Mitarbeitern größtmögliche Hilfe und Unterstützung anzubieten, findet sie. Schließlich habe das Land vor allem deswegen noch drei Jahre Steuern von Kronenbrot eingestrichen, weil die Belegschaft massiv auf Geld verzichtet habe.

Die einzig gute Kronenbrot-Nachricht in den vergangenen Monaten kam vom Standort Witten, wo primär Toast- und Sandwichbrot gebacken wurde. Marktführer Hary stieg dort ein und will nach eigenem Bekunden 46 der ehemals rund 80 Mitarbeiter weiterbeschäftigen.