Erlaubnis gefordert : Kleine Städte und Gemeinden wollen Raser blitzen
Düsseldorf Bislang können nur Städte mit mindestens 60.000 Einwohnern Temposünder in Eigenregie überführen. Der Städte- und Gemeindebund NRW fordert nun eine Erlaubnis auch für kleinere Kommunen.
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben angeregt, dass künftig auch kleinere Städte und Gemeinden eigenständig Temposünder zur Verantwortung ziehen dürfen. „Viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr Geschwindigkeitskontrollen“, sagte Eckhard Ruthemeyer (CDU), Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW und Bürgermeister der Stadt Soest, unserer Redaktion.
Er verwies auf die Bürgersprechstunden, in denen dieser Wunsch zunehmend geäußert würde, und sprach von einem auffälligen Trend. „Da wünschen sich vor allem mittlere Städte mehr Beinfreiheit. Derzeit ist es so, dass nur Kommunen ab 60.000 Einwohnern Kontrollen machen dürfen, ansonsten ist der Kreis zuständig. Es spricht aber überhaupt nichts dagegen, dies auch kleineren Kommunen zu ermöglichen.“
Der kommunale Spitzenvertreter wies den Vorwurf zurück, dass es dabei um eine Sanierung der Haushalte gehe. „Nein. Es geht um das Thema Verkehrssicherheit. Wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken: Aktuell ist eine angemessene Kontrolldichte an Unfallschwerpunkten nicht in allen Landesteilen NRWs gleichermaßen gewährleistet.“ Deshalb halte der Städte- und Gemeindebund NRW eine Ausweitung der Zuständigkeit für Geschwindigkeitsüberwachungen im Straßenverkehr an Gefahrenstellen auf mittlere kreisangehörige Städte für notwendig.
Rückendeckung bekam er dafür von den Grünen: „Wir begrüßen es, wenn auch kleinere Kommunen die Einhaltung der Geschwindigkeitsregeln selbst kontrollieren wollen“, sagte deren kommunalpolitischer Sprecher Mehrdad Mostofizadeh. „Denn das Ziel ist es, die schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu schützen und den Verkehrslärm zu senken.“
Mostofizadeh bezeichnete es als sinnvoll, wenn die Kommunen selbst entscheiden könnten, wann und wo sie Geschwindigkeitsmessungen durchführen, wie vor Grundschulen oder Seniorenheimen. „Gerade in vielen großen Landkreisen sind die Kreisbehörden und die Polizei mit der Verkehrsüberwachung überfordert, da es sehr viele Straßen und neuralgische Punkte gibt, aber meist nur wenige Messgeräte und Personal zur Verfügung stehen.“ Die Grünen unterstützten deshalb die Forderung der kleineren Kommunen.
Der kommunalpolitische Sprecher der SPD, Stefan Kämmerling aus Eschweiler, sagte dagegen: „Geschwindigkeitskontrollen sollten sich immer nach Aspekten der Verkehrssicherheit richten, nicht nach der Kassenlage. Wer das dann macht, ist fast schon zweitrangig.“ Es spreche allerdings einiges dafür, mehr Flexibilität zu bekommen und den Kommunen das zu ermöglichen. „Es darf jedoch nicht dazu führen, dass ärmere Kommunen dann mehr blitzen als reiche. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, endlich für gerechte Kommunalfinanzen zu sorgen.“
Kämmerling warf Ministerpräsident Hendrik Wüst und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (beide CDU) diesbezüglich Untätigkeit vor, die die Kommunen ja geradezu in solche Situationen treibe. „Während man rund um NRW überall längst Lösungen für die Altschuldenproblematik findet, scheint unsere Landesregierung die Schwere des Problems für unsere Kommunen überhaupt nicht verstanden zu haben“, sagte Kämmerling. „Die Schulden, die auf unseren Städten und Gemeinden lasten, verhindern, dass vor Ort für die Menschen in NRW ein lebenswertes Zuhause gestaltet werden kann.“
Das NRW-Innenministerium verwies darauf, dass für eine Zuständigkeitserweiterung der mittelgroßen Städte das Ordnungebehördengesetz geändert werden müsse. „Eine Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden im Jahre 2018 ergab hinsichtlich dieser Frage ein uneinheitliches Meinungsbild, so dass von einer Ausweitung auf die mittleren kreisangehörigen Städten bislang abgesehen wurde“, so ein Sprecher von Innenminister Herbert Reul (CDU).
Bei einem anderen Thema zeigte sich der Städte- und Gemeindebund dagegen deutlich zurückhaltender: einem generellen Tempo 30 in Innenstädten. Ruthemeyer sagte dazu zwar, „eine sogenannte Regelumkehr zugunsten eines generellen Tempo-30 innerorts mit vereinzelten Ausnahmen auf Hauptverkehrsstraßen sollte zunächst in Modellversuchen erprobt werden, um die Auswirkungen auf die Städte, aber auch auf das Umland und Pendlerverflechtungen zu evaluieren“. Eine grundsätzliche gesetzliche Regelung sei derzeit aus Sicht des Verbandes nicht zielführend.