Politiker-Appell an Regierung : Klassenteilung erlauben
Düsseldorf Auch in den Schulen steigt die Zahl der Corona-Fälle. Immer mehr Schüler sind in Quarantäne. Politiker und Kommunen fordern Schulministerin Gebauer zum Handeln auf.
Der Druck auf NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), angesichts des grassierenden Coronavirus Klassenteilungen und Distanzunterricht zu erlauben, wird größer. Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und die Grünen-Landtagsfraktion appellierten am Dienstag an Gebauer, den Weg für neue Konzepte freizumachen. Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul warf Gebauer eine „unverständliche Blockadehaltung“ vor. „Es geht um die Frage, wie Bildungsgerechtigkeit und Infektionsschutz miteinander verbunden werden können“.
Die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung hatte der Stadt Solingen untersagt, wegen der hohen Corona-Neuinfektionen die Klassen an allen weiterführenden Schulen zu halbieren und die Schüler im Wechsel daheim und in den Schulräumen zu unterrichten. Als Grund hatte Gebauer die Bildungsgerechtigkeit genannt. Im Streit um Corona-Maßnahmen an Schulen haben die Oppositionsparteien SPD und Grüne in Eigenregie zu einem Schulgipfel am 17. November eingeladen.
Solingens OB Tim Kurzbach (SPD) warnte vor einer weiteren Verschärfung der Lage. „Der Herbst hat gerade erst begonnen, das ist dann logisch, was daraus folgt“, sagte er in dem gemeinsamen Pressegespräch mit den Grünen. Zahlreiche Amtskollegen aus Deutschland hätten ihm geschrieben, ähnliche Schritte wie Solingen gehen zu wollen. „Mein Ziel ist, die Kinder und Jugendlichen so gut wie möglich zu schützen und das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen“, sagte Kurzbach.
Karliczek offen für neue Konzepte
Bestätigt fühlt sich Kurzbach durch Aussagen von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Diese hatte in der „Rheinischen Post“ gesagt: „Sollten die Infektionszahlen, was wir nicht hoffen, weiter steigen, kann ich persönlich hybriden Unterrichtsmodellen gerade in diesem Winter einiges abgewinnen.“
Karliczek hatte aber auch auf das Stufenkonzept der Kultusministerkonferenz je nach Infektionsgeschehen verwiesen. „Wichtig ist, dass die Schulleitungen genug Freiraum haben, passende Wege für ihre Schule zu finden. Jede Schule ist anders“, hatte sie betont.
Laut Verordnung des NRW-Schulministeriums kann eine Schule erst dann Distanzunterricht beantragen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. „Es muss also so weit gekommen sein, dass kaum noch ein Lehrer zur Verfügung steht“, sagte Kurzbach.
Die Grünen-Schulexpertin Sigrid Beer sagte, Gebauer könne sich „nicht mehr hinter der Kultusministerkonferenz verschanzen“. Hessen und Niedersachsen etwa hätten schon einen anderen Weg eingeschlagen. „Es geht in der Auseinandersetzung mit der Stadt Solingen offenbar darum, dass kein Dammbruch passieren und die Ministerin nicht ihr Gesicht verlieren soll.“ Viele Schulen hätten bereits Konzepte in der Schublade. Allein das Entzerren der Schulanfangszeiten reiche nicht aus, um die Infektionsgefahr einzudämmen.
Studenten als Lernbegleiter
Gebauer sollte nach Ansicht Beers zusammen mit dem Wissenschaftsministerium eine „Corona-Justierung“ zu den halbjährigen Praxissemestern von Lehramtsstudenten vornehmen. Die Studenten sollten als Lernbegleiter in Kleingruppen eingesetzt werden. Es gebe eine „enorme Finanzreserve“ bei unbesetzten Lehrerstellen. Den Lehramtsstudenten sollten Verträge für das Corona-Schuljahr angeboten werden, um Schüler zu unterstützen.
Die Corona-Pandemie wirkt sich immer stärker an den Schulen in NRW aus. 50.152 Schüler (knapp 2,5 Prozent) befanden sich zum Stichtag 4. November nach Angaben des Schulministeriums in Quarantäne. Bei mehr als 3660 Schülerinnen und Schülern sei eine Corona-Infektion bestätigt worden – das waren mehr als doppelt so viele wie in der Woche zuvor. Bei fast 560 Lehrkräften wurde das Coronavirus bestätigt, fast 3500 Lehrer waren in Quarantäne. Sechs Schulen waren landesweit nach Angaben des Ministeriums zum Stichtag ganz geschlossen, an 552 Schulen (12,3 Prozent) gab es Teilschließungen.