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Kohlekommission zu Besuch: Keine Ruhe fürs Rheinische Revier

Kohlekommission zu Besuch : Keine Ruhe fürs Rheinische Revier

Die Grünen sorgen sich um Bergleute und Tagebaufolgekosten. Und in Manheim wächst die Wut über Hausbesetzer.

Vor dem Treffen der Kohlekommission im Rheinischen Revier am Mittwoch mehren sich die Forderungen nach sozialverträglichen Lösungen für die Beschäftigten im Tagebau Hambach. „Der Staat darf die Beschäftigten nicht im Stich lassen. Niemand sollte Angst haben müssen, dass ein Bergmann ins Bergfreie fällt“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Betriebsbedingte Kündigungen werde die Gewerkschaft IG BCE nicht akzeptieren, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis.

Allein am Braunkohle-Tagebau Hambach hängen nach Angaben des Energiekonzerns RWE rund 4600 Arbeitsplätze. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte Anfang Oktober die Rodung des Hambacher Forsts bis zu einem endgültigen Urteil untersagt. RWE kündigte danach an, die Förderung im Tagebau zu drosseln. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hielt dem gestern entgegen, dass die Drosselung nichts mit dem Gerichtsurteil, sondern mit der Überführung zweier weiterer Kraftwerksblöcke in die sogenannte Stille Reserve zu tun habe.

Wut über die Hausbesetzer

Aus Sicht der Grünen muss zudem ein unabhängiger Gutachter zügig die Kosten des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung und die Verantwortung des Energiekonzerns RWE klären. Oliver Krischer warf der schwarz-gelben Landesregierung vor, das Problem der sogenannten Ewigkeitslasten bei der Braunkohle vollkommen auszublenden. „Das ist fahrlässig“, sagte Krischer der Deutschen Presse-Agentur. „RWE behauptet, alle Kosten seien gedeckt, aber es gibt keine Transparenz.“ Krischer ließ allerdings unerwähnt, dass es bereits ein aufwendiges Gutachten gibt, an dessen Erstellung unter anderem die RWTH Aachen beteiligt war.

Vor Ort haben manche Bewohner allerdings ganz andere Probleme. So empörten sich beispielsweise bei einer Bürgerversammlung in Kerpen-Manheim wegen der von offenbar Linksautonomen besetzten Wohnhäuser viele Anwohner über die Situation vor Ort. Vermummte liefen durch das Geisterdorf, brächen in leerstehende Häuser ein oder würden Polizisten bespucken. Ein Bürger forderte, die Hausbesetzer sollten sich „verpissen“. Wilhelm Lambertz, Bürgerbeirat in Manheim, bestätigte entsprechende Informationen unserer Zeitung.

Lambertz sagte, er habe Mühe, manche Bewohner davon abzuhalten, „Selbstjustiz an den Hausbesetzern zu verüben“. Das Landgericht Köln hatte am Montag einen Antrag auf Einstweilige Räumungsverfügung von Tagebaubetreiber RWE abgewiesen. RWE gehören die meisten leerstehenden Häuser in Manheim, da der Ort für den Tagebau Hambach verschwinden soll. Da die Hausbesetzer nicht identifiziert seien und überdies die Häuser auch wechselten, seien Räumungsverfügungen nicht zustellbar, habe das Gericht argumentiert, wie RWE-Sprecher Guido Steffen gestern auf Anfrage unserer Zeitung erklärte.

Unklar allerdings ist, warum die Aachener Polizei die Hausbesetzer gewähren lässt. Denn eigentlich bräuchte RWE kein Räumungstitel, um die Hausbesetzer aus den leerstehenden Wohnhäusern entfernen zu lassen. Haus- und Grundstücksbesetzungen sind nämlich strafbare Handlungen und damit Störungen der öffentlichen Sicherheit im Sinne der sogenannten allgemeinen polizeilichen Eingriffsermächtigung. In Besetzungsfällen würden regelmäßig Eingriffsvoraussetzungen für den polizeilichen Schutz privaten Eigentums vorliegen, wie der Bundesgerichtshof 2017 festgestellt hatte. Sandra Schmitz, Sprecherin der Aachener Polizei, erklärte gestern Abend, die Situation werde geprüft.

Im Geisterdorf Manheim leben noch bis zu 180 alteingesessene Bürger, dazu knapp 100 Flüchtlinge. Bürgerbeirat Lambertz will vier Menschen ausgemacht haben, die sich über die Gegenwart der Hausbesetzer freuen. „Der Rest der Bewohner ist einhellig gegen die Hausbesetzungen“, sagte Lambertz. Er hofft darauf, dass die Polizei nächste Woche tätig wird, wenn die „Ende Gelände“-Aktionen, die möglicherweise auch von Manheim aus gestartet werden, vorüber sind.

(dpa/gego)